Ausgabe September 2007

Tod und Tarantinismus

Jean-Claude Brialy und Philippe Noiret, Ulrich Mühe und Ulrich Plenzdorf, und dann noch Michelangelo Antonioni und Ingmar Bergman, beide am 30. Juli. „Müssen die denn alle auf einmal …?“ stöhnt der „Freitag“- Redakteur, und die „Blätter“ wollen einen gemeinsamen Nachruf. Da wirft der Tod und redaktioneller Sinn für Platzökonomie zwei zusammen, die nicht zusammengehören.

Bergman stammte aus einer evangelischen Pfarrersfamilie, die strenge Erziehung führte zu einem lebenslangen Vaterkomplex. In der Schule fiel er auf, weil er nicht fähig sei, „zwischen Phantasie und Wirklichkeit zu unterscheiden“. Viele seiner Filmfiguren sind von diesem Gegensatz geprägt: Ihr Leib und ihre Seele streben unterschiedliche Ziele an, ihr Handeln ist von Fremdheit und Geborgenheitsdrang geprägt. In seiner zentralen „religiöse Trilogie“ mit den Filmen Wie in einem Spiegel, Licht im Winter und Das Schweigen (1961-63) leiden die Figuren unter Ausgeschlossensein, Gefühlskälte. Liebe, Glaube und menschliche Nähe sind verloren, Gottesdienste und Liebesakte werden zu leeren Riten.

Antonioni studierte Ökonomie, wandte sich dann aber künstlerischen Tätigkeiten zu: Literatur, Theater, Kino. L’avventura (Die mit der Liebe spielen, 1960) gilt als der Beginn der Moderne in der Filmgeschichte und begründet einen neuen Umgang mit der Wirklichkeit: Sie wird nicht im bewussten Zugriff gestaltet, als Metapher oder Antagonistin für die Figuren.

Sie haben etwa 32% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 68% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo