Ausgabe Juli 1991

Die Oppositionsfalle

oder Von der Tücke des Erfolgs

Von Klaus Naumann Eine Ära scheint sich ihrem Ende zu nähern - die Ära der Kohl. Ende der Wende? Totgesagte leben länger. Dieser Spruchweisheit folgend, sollte man mit Terminen vorsichtig umgehen. Aber die Auguren, Demoskopen und Wahlkommentatoren - zuletzt wg. Hamburg machen in schön Wetter, jedenfalls für die parlamentarische Opposition, genauer: für die Sozialdemokratie. Ist die Rede vom Scheitern, ja vom Verschwinden der Opposition im neuen Deutschland Schnee von gestern? Verläßt man die Schönwetterzone der Tagesstimmungen und verschafft sich Überblick, wird man schnell einer Winterlandschaft ansichtigt, und der Schnee, der dort tiefgefroren überdauert. ist nicht erst vom Vortag... Aber bleiben wir noch bei der geschäftsführenden Bonner Koalition. Ihre Wahlschlappen häufen sich. Das Bedürfnis, die Einbrüche auf die bundespolitische Lage zu beziehen, äußert sich freimütig. Nachtragshaushalte und Entscheidungen stehen an, die den Zwist in der Koalition vergrößern werden (Pflegeversicherung, Paragr. 218, Steuerpolitik, Grundgesetzänderung...). Der Bundesrat verfügt inzwischen über eine stabile Gegenmehrheit. Die Stunde der Arbeitsgruppen-Gemeinsamkeiten scheint vorerst vorüber. Die FDP fängt an zu wackeln, prozyklisch sozusagen. Aber springen wird sie nicht; sie fiele nämlich ins Leere. Eine neue Mehrheit im Bundestag steht einstweilen nicht zur Verfügung.

Juli 1991

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