Ausgabe November 1991

Die Einheitskrankheit

Doppeldeutscher Reformstau im Gesundheitswesen

1. Mißglückte Systembegegnung

Mitten in eine breite Reformdiskussion für das bundesdeutsche Gesundheitswesen platzte die Vereinigung Deutschlands. Zwei verschiedene Gesundheitssysteme begegneten sich, die jedes auf seine Art spezifische Vor- und Nachteile besitzen: Die Vereinigung eröffnete Chancen, voneinander zu lernen und einen qualitativen Fortschritt zu erreichen. Eine vorurteilslose und nüchterne Bewertung beider Systeme unterblieb jedoch. Restaurative Tendenzen setzten sich in Westdeutschland durch, kritiklose Anpassung und individualistische Rettungsstrategien triumphierten im Osten. Nach einem Jahr zeichnet sich ab, daß in Deutschland die Gesundheitsreform nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben ist. Die Sicherstellung einer wirtschaftlichen, problemgerechten, qualifizierten und sinnvollen Krankenversorgung für die Bevölkerung in ganz Deutschland erfordert nun auch die Therapie der Vereinigungskrankheit. Die Kurz-Diagnose lautet: Reformstau bei euphorischer Realitätsverleugnung. Paradigmatisch für die mißglückte Begegnung der beiden Versorgungssysteme sind die ärztliche Profession und die ambulante medizinische Versorgung.

2. Ausgangslage Ost: Ideologisch verbrämte Armut

Das ostdeutsche Gesundheitswesen leidet Not. Materielle Armut lautete die Grundkrankheit.

November 1991

Sie haben etwa 47% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 53% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo