Zuletzt war es richtig spannend geworden, hatte die Nation für einen Moment mit angehaltenem Atem verfolgt, ob denn genügend Stimmen für die sogenannte „Fristenregelung" zusammenkommen würden. Dabei war das Gesetzgebungs-Procedere in Wirklichkeit so langweilig wie die meisten anderen im Bundestag auch. Denn seit der Unionsentwurf mit seiner verschärften Indikationenregelung vorlag, stand fest, daß es dafür die erforderliche Mehrheit im Parlament nicht geben würde. Offen war lediglich, ob das Bundesverfassungsgericht gleich oder später entscheidet, mit anderen Worten: ob SPD und FDP sich einigen (und die Normenkontrollklage der Rechten ihren Lauf nimmt) oder ob die selbstgesetzte Frist verstreicht (und die Normenkontrollklage der Rechten ihren Lauf nimmt). Im einen, nun eingetretenen Fall hat das BVG über einen bereits ausgehandelten Kompromiß zu entscheiden (und die Chance, daß es ihn bestätigt, ist nach Einschätzung der Strafrechtsexpertin Monika Fromme nicht gering); andernfalls hätte das BVG einen vergleichbaren Kompromiß wohl selbst aushandeln müssen. Kein qualitativer Unterschied also. Daß es über realistische politische Oppositionsstrategien angesichts der gesellschaftlichen Machtverhältnisse unterschiedliche Einschätzungen geben mag, sei dahingestellt.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.