Ausgabe November 1996

Wege in und Wege aus Sackgassen

In der Debatte über den Standort Deutschland wird als selbstverständlich angenommen, daß die nicht geringen ökonomischen Probleme der Bundesrepublik vorwiegend durch den Druck des globalisierten Wettbewerbs verursacht werden und umgekehrt durch weltmarktorientierte Strategien erfolgreich zu beheben sind. Senkung der Lohnkosten, besonders der Lohnnebenkosten, Reduzierung der Sozialleistungen, Verminderung der Steuerlast für Unternehmen und hochtechnologisches, weltmarktorientiertes Wachstum erscheinen als unausweichliche Reaktionen auf den „Sachzwang Weltmarkt“. Die dramatische Verschärfung des internationalen Wettbewerbs gilt weithin als der für unternehmerisches Handeln und staatliche Wirtschaftspolitik wichtigste und folgenreichste Prozeß im gegenwärtigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel.

Diese Sicht birgt erhebliche Merkwürdigkeiten. Erstens: Determinismus, der von zwangsläufigem richtungsbestimmten Handeln ausgeht, und Strukturalismus, der solches Handeln aus strukturellen Zwängen herleitet, gelten allgemein als antiquierte Denkansätze. Vor allem Marxens Lehre vom Wirken ökonomischer Gesetze als wirtschaftliche Handlungszwänge gilt durch die Entscheidungsfreiräume in Wirtschaft, Politik, Rechtsetzung und anderen Sphären unserer offenen Gesellschaft weithin als widerlegt. Nun aber erfahren wir, daß es diese Freiräume doch nicht gebe.

November 1996

Sie haben etwa 42% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 58% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo