Nachdem der belarussische Präsident Aleksander Lukaschenka im November 1996 über ein massiv gefälschtes Referendum seine Machtposition zu einer Quasi-Diktatur ausgebaut hatte, wäre es ihm Anfang April 1997 fast gelungen, einen zweiten Coup zu landen: Erst kurz vor der Ratifizierung wurde der Vertrag zur Bildung einer Union Rußland-Belarus entschärft, über den der Präsident Weißrußlands mit Hilfe geopolitisch-imperial orientierter Kräfte innerhalb und außerhalb der russischen Führung erheblichen Einfluß auf die Politik Moskaus hätte gewinnen können. Tatsächlich sollte laut ursprünglicher Version des Vertrags zwar die Souveränität der Partnerstaaten erhalten bleiben, doch - im Widerspruch dazu war zugleich die Bildung mit umfangreichen Kompetenzen ausgestatteter supranationaler Organe auf paritätischer Grundlage vorgesehen; zudem wollte man der neuen Union Völkerrechtsqualität verleihen.
Darüber hinaus hätte der Unionsvertrag Rußland zumindest moralisch verpflichtet, so die Spekulation Lukaschenkas, Belarus durch materielle Vergünstigungen vor der drohenden Wirtschaftskatastrophe zu bewahren.