collateral: ein Wort, das auf den ersten Blick nichts Böses ahnen läßt: am Rande gelegen, vom Zentrum entfernt, aber mit ihm verbunden; neben-sächlich, jedoch auf die Haupt-Sache bezogen; indirekt, also nicht bedrohlich. Kollateral-Schaden kann vermeintlich heißen: Der Motor ist o.k., der Wagenlenker auch, nur ein Kotflügel wurde beschädigt. Eine zynische Täuschung! In Wahrheit meint Kollateral-Schaden, als sogenannter terminus technicus: Ermordung von Menschen, die, wortwörtlich, Randfiguren sind. Beseitigung von Abfall-Produkten beim großen Aufräumen. Vernichtung von Zivilisten, die, nach dem Verständnis amerikanischer Sprachanalytiker, lediglich BegleitCharakter habe. ("collateral: wesentlich amerikanisch", steht im Wörterbuch.) Der Mensch: ein Neben-Umstand. Ein Stück Haut auf Gebein ohne Seele und Vernunft. Kollateral-Schaden heißt in Wahrheit: Es wurde "Menschenmaterial" vernichtet. Sorry, aber Ölraffinerien und Sendeanlagen sind teurer. Außerdem liegen sie im Zentrum und nicht nur an der Seite, und auch da noch am Rande, wie das wohlfeile Menschenmaterial, das ohnehin leicht kaputtgehen kann. Fazit: Es gibt mörderische Euphemismen. "Endlösung" gehört dazu, aber "Kollateralschaden" auch.
In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.