Die Aufnahme der Türkei in die Europäische Union stößt auf pragmatische und prinzipielle Einwände. Die pragmatischen Überlegungen, beispielsweise zu den Grenzen der Ausdehnungsfähigkeit Europas oder zu den ökonomischen Risiken, verdienen Beachtung, ihre Schlüssigkeit für das Pro oder Contra lässt sich jedoch schwer abschätzen, da es um komplexe Ermessensentscheidungen geht. Letztlich schieben die Beitrittsgegner diese Argumente jedoch nur vor, ihr Haupteinwand ist prinzipieller Natur. Einmütig erklären sie: Die Türkei gehört nicht zum europäischen Kulturkreis. Ihre kulturellen Überlieferungen machen die Türken unfähig, Europäer zu werden. Die Türkei soll daher draußen bleiben.
So sieht Heinrich AugustWinkler, der Berliner Historiker, den „Kern des Problems“ darin, „dass in jenem Teil Europas, der zum historischen Okzident gehört und bis zur Reformation sein geistiges Zentrum in Rom hatte“, sich die Trennung von geistlicher und weltlicher Gewalt „in einem Jahrhunderte währenden Prozess vollzog“,wohingegenin der Türkei die Säkularisierung erst im 20. Jahrhundert mit autoritären Mitteln erfolgte. Noch schlimmer: Die Staatsdoktrin der Türkei sei „areligiös“ ja sogar „religionsfeindlich“.