Ausgabe September 2025

Frieden durch Recht

Wider den falschen Realismus der Machtpolitik

Der ukrainische Botschafter bei den Vereinten Nationen hält das Handbuch der Charta der Vereinten Nationen während seiner Rede hoch, 2.3.2022 (IMAGO / UPI Photo)

Bild: Der ukrainische Botschafter bei den Vereinten Nationen hält das Handbuch der Charta der Vereinten Nationen während seiner Rede hoch, 2.3.2022 (IMAGO / UPI Photo)

Am Anfang stand der 11. September 2001. Danach wurde die Lawine losgetreten: Ein langsamer, aber unaufhaltsamer Erdrutsch erfasste die internationale rechtliche und politische Ordnung. Ein Erdrutsch, der nach und nach die supranationalen Institutionen, die Garantiestrukturen, die gemeinsamen Kodizes und die stets fragile, aber nie völlig illusorische Utopie einer friedlichen und auf dem Recht basierenden Weltordnung tief erschüttert hat. Mit der Reaktion auf die Anschläge von 2001 wurden bestimmte Dynamiken sichtbar, die in den folgenden Jahrzehnten zyklisch wiederkehren sollten: insbesondere die Tendenz, einen terroristischen Akt als kriegerischen Akt zu qualifizieren und darauf mit kriegerischen Mitteln zu reagieren, die einem Krieg zwischen Staaten eigen sind. Aus dieser semantischen und juristischen Fehlentwicklung hat sich eine ganze Reihe von „präventiven“, „defensiven“, „antiterroristischen“ Kriegen entwickelt, die in Wirklichkeit verdeckte Angriffskriege sind. Daraus leiten sich fast zwangsläufig Formen echter juristischer Barbarei ab: von den unbefristeten Inhaftierungen ohne jegliche Rechtsgarantie in Guantánamo und den Geheimgefängnissen der CIA bis zu den Folterungen in Abu Ghraib. 

Diese Ereignisse verweisen auch auf eine weitere grundlegende Dynamik: Es ist nicht möglich, eine vollständig demokratische Ordnung innerhalb eines Landes zu haben und gleichzeitig systematisch gegen das Völkerrecht zu verstoßen.

»Blätter«-Ausgabe 9/2025

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (5.00€)
Digitalausgabe kaufen (12.00€)
Druckausgabe kaufen (12.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Trump über alles

von Adam Serwer

Fast zu Beginn ihrer weitreichenden, gesetzeswidrigen Entscheidung im Fall Trump v. United States am 1. Juli wiederholen Donald Trumps Verteidiger unter den Obersten Richtern eines der grundlegendsten Prinzipien des amerikanischen konstitutionellen Regierungssystems: „Der Präsident steht nicht über dem Gesetz.“ Nur um anschließend daranzugehen, dieses Prinzip auszulöschen.