Ausgabe Dezember 2025

Denken heißt lebendig sein

Zu Hannah Arendts 50. Todestag

Am Abend des 4. Dezember 1975 erlitt Hannah Arendt im Beisein des befreundeten Paares Jeanette und Salo Baron in ihrer Wohnung in der 12. Etage am Riverside Drive 370 (Manhattan) einen Herzinfarkt. Es heißt, sie habe plötzlich mitten im Gespräch – ihrer Hand entglitt dabei die Zigarette – gehustet, sei ohnmächtig geworden und sofort verstorben. Schon im Jahr zuvor hatte sie einen Infarkt erlitten. Ihr Herz war jedoch bereits 1970 angegriffen, als ihr Mann Heinrich Blücher, mit dem sie dreißig Jahre lang verheiratet war, einem Herzinfarkt erlag. Ihre Urne liegt neben der seinen auf dem Friedhof des Bard Colleges in Annandale-on-Hudson, State New York. 

Geboren am 14. Oktober 1906, stand Arendts Leben ganz im Zeichen des Jahrhunderts der Extreme und ihrer Totalitarismen.[1] Doch obwohl geschah, was nie hätte geschehen dürfen, so Arendts Formulierung für das Grauen in den NS-Todesfabriken, ist sie fähig gewesen, sich eine Liebe zur Welt zu bewahren. Eines ihrer Gedichte ist Zeugnis dieser Liebe:

Ich lieb die Erdeso wie auf der Reiseden fremden Ort,und anders nicht.So spinnt das Leben michan seinem Faden leiseins nie gekannte Muster fort.Bis plötzlich,wie der Abschied auf der Reise,die große Stille in den Rahmen bricht.

»Blätter«-Ausgabe 12/2025

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Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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Wer mit Ingeborg Maus sprechen wollte, wurde von ihr meist auf den Abend verwiesen: Bevorzugt nach 20 Uhr ließ sich die Professorin für „Politologie mit dem Schwerpunkt politische Theorie und Ideengeschichte“ an der Frankfurter Goethe-Universität anrufen und klärte dann geduldig und stets zugewandt organisatorische und akademische Fragen, oftmals bis weit in die Nacht. Natürlich musste man erst einmal durchkommen, denn es waren viele, die etwas mit ihr besprechen wollten.