Ausgabe Mai 2014

»Jedem seine Scheiße«

Wie Angela Merkels nationaler Egoismus die EU aufs Spiel setzt

An einigen Abenden im Frühling 2013 ziehen sich in Brüssel die Euro-Sherpas in ein kleines Restaurant zurück. Es liegt im früheren Arbeiterviertel Les Marolles und heißt „L’idiot du village“ – „Der Dorftrottel“. Die unbewältigte Krise verlangt nach Deutung, und die Herren, die zu Europas Spitzenpersonal gehören, bevorzugen das kleine Lokal, um ungestört die letzten Jahre ein wenig Revue passieren zu lassen. Zudem lässt sich nicht leugnen, dass der Name des Restaurants „Dorftrottel“ irgendwie ein besonders passender für eine Bilanz ist.[1]

Denn 2008, als die Krise begann, war der Horizont der nationalen Regierungschefs in ihren Hauptstädten ähnlich beschränkt. Statt ein Großreinemachen in Europa anzugehen, fegte jeder ein bisschen vor der eigenen Tür, getrieben von unterschiedlichen nationalen Interessen. „Jeder hat seine nationalen Banken gerettet wie früher seine Stahlwerke und die Autokonzerne. Jeder wollte seine Herrlichkeit behalten. In jedem verdammten Land haben die nationalen Aufseher das geduldet“, sagt ein Euro-Sherpa an einem der Abende. „Weil die Regierungen von dem Geld leben, das die Banken ihnen leihen“, schiebt er hinterher. „Keiner hat durchschaut, was auf dem Spiel steht.

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