Die Diskussionen um die Problematik der Schwangerschaftsabbrüche reißen nicht ab; es wechseln lediglich die thematischen Schwerpunkte. Die aktuelle Kontroverse übertrifft aber den bisherigen Schlagabtausch zum Paragr. 218 bei weitem, seitdem es nämlich um konkrete Schritte geht, die Schwangerschaftsabbruchsregelungen für Gesamtdeutschland neu zu fassen. Dies ist wahrlich keine leicht zu lösende Aufgabe, denn wir stehen politisch vor der Situation, daß die den bundesrepublikanischen Frauen durch den Spruch des Bundesverfassungsgerichts 1975 verwehrte Fristenregelung pikanterweise in der DDR seit nahezu 20 Jahren geltendes Recht ist. Hierauf wollen weder die DDR-Bürgerinnen verzichten noch die sie vertretenden Parteien, wenn man entsprechende Verlautbarungen aus der kurzen Volkskammerära von 1990 zugrundelegt.
Andererseits können und wollen wir nicht das gänzlich unzulängliche BRD-Recht, das von den meisten Bundesbürgerinnen abgelehnt und noch dazu in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich gehandhabt wird, der DDR überstülpen. Mit anderen Worten: Der Gesetzgeber ist gefragt, um eine für Gesamtdeutschland verbindliche, praktikable Neuregelung zu entwickeln und dabei die positiven wie negativen Erfahrungen, die in der Vergangenheit sowohl in der BRD und der ehemaligen DDR wie auch im benachbarten Ausland gemacht worden sind, mit zu berücksichtigen.