Herausforderungen an die Gewerkschaften in den 90er Jahren
1. Warnung vor "einfachen Antworten"
Was wohl die Welt im innersten zusammenhält, läßt Goethe seinen Faust fragen. Seit der Explosion der Atombombe und der Entwicklung der Gentechnologie ist für die physikalische Welt im engeren Sinne diese Frage beantwortet. Vergleichbare Gewißheit galt - zumindest im Selbstverständnis eines nicht unerheblichen Teils politisch aktiver Menschen - bis vor kurzem auch für die soziale Welt. Mit der Auflösung aller Strukturen in jenen Ländern, die den "Sozialismus" auf ihre Fahnen geschrieben hatten - und die zusammen einen großen Teil der Menschheit ausmachten -, ist diese Gewißheit endgültig dahin. In der Geschichte haben sich nur selten politische und gesellschaftliche Veränderungen dieses Ausmaßes so rasant vollzogen wie in jüngster Zeit. Interpreten - soweit sie ihr Handwerk seriös betreiben - geraten in Atemnot. Viele Bürger sind verunsichert, weil die Folgen dieses gewaltigen Umbruchs nicht abschätzbar sind.
Das gilt - logischer- und verständlicherweise - nicht zuletzt auch für "Linke" aller Schattierungen in der Bundesrepublik. Nicht wenige machen eine tiefgreifende p o l i t i s c h e O r i e n t i e r u n g s k r i s e durch. Die Spanne der Reaktionen reicht von trotzigem Festhalten an dogmatischen Positionen bis zur opportunistischen Anpassung.