Wer heute in den Gewerkschaften für das vereinigte Deutschland Tarifpolitik strategisch zu strukturieren und später im Ergebnis zu verantworten hat, steht vor einer schwierigen Aufgabe. Kräftefelder höchst unterschiedlicher Interessen und Erwartungen widerstreiten, die nur mit Mühe in einem gemeinsamen Nenner zu bändigen sein werden. Und wie in der Wirtschaftsentwicklung verläuft auch hier die wichtigste Grenze entlang der alten staatlichen Demarkationslinie. So dürfte nach dem Willen der Mitglieder im Westen vor dem Hintergrund einer boomenden Konjunktur vor allem das in den letzten Jahren an die Kapitaleignerseite verlorengegangene Verteilungsterrain wiederzuerobern sein. Dazu wird sicher hier auch noch nach einer Kompensation der nach der Bundestagswahl beschlossenen höheren Belastungen gerufen werden. Denn davon war schließlich nicht die Rede gewesen in den Wahlkampfaussagen der wiedergewählten Koalition. Und es dürfte nun, zumindest bei West-Arbeitnehmern die verständliche Neigung bestehen, dies als einen Bruch von Versprechungen anzusehen, der das Recht nach sich zieht, etwaige gesamtdeutsche Solidaritätsappelle von Seiten der Regierung - wie jüngst von Helmut Kohl - fürderhin unbeantwortet zu lassen.
In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn.