Ausgabe April 1992

Die Welt als Schrebergarten

Der technische Aufwand ist beträchtlich: sechs Diaprojektoren sind durch Computer so gesteuert, daß jeweils drei von ihnen zusammen ein einziges Bild auf eine Leinwand werfen, die gut 30 Meter breit ist. Sie sind so perfekt justiert, daß die Grenze zwischen den Drittel-Bildern kaum bemerkbar ist. Der Bildwechsel ist sanft überblendend, gelegentlich stehen auch drei verschiedene Bilder nebeneinander. Diesseits der Grenze zum Breitwand-Kino dürfte es nichts besseres geben. Zu Beginn sieht man eine Einleitung, die mit Musik untermalt ist, da geht das Ganze noch ein wenig in Richtung Hollywood.

Dann ist es zu Ende mit der träumerischen Hingabe an das weite Land. Ein bärtiger Mann tritt auf und erzählt. Er tut dies etwa so, wie viele der Anwesenden es bei ihren eigenen Dias auch tun würden: ein privater Kommentar wird improvisiert, manchmal sich unbeholfen an den Photos orientierend, in dem die kleinen Erlebnisse am Rande der großen Reise die größte Rolle spielen. Die "Nordroute" - Kanada und Alaska - sind das diesjährige Hauptthema des bekanntesten Berufs-Reisenden Leosch Schimaneck. Die Plakate kündigen ein sensationelles optisches Erlebnis an, rühmen die dazu aufgewendete Technik, nicht ohne die beteiligten Kamera- und Filmproduzenten zu erwähnen, und versprechen großartige, unberührte Natur. Welches Land bereist wurde, ist fast gleichgültig.

April 1992

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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