Wie Influencer Rechtspopulisten den Weg bereiten

Bild: Ein junger Mann filmt sich im Fitnessstudio. Wahlkampfstrategien autoritärer Populisten und Lifestyle-Themen digitaler Subkulturen sind eng miteinander verknüpft. Bild vom 5.12.2023 (IMAGO / Pond5 Images)
Echte Männer sind rechts“ – das auf Social Media viral gegangene Video des AfD-Politikers Maximilian Krah ist mehr als nur ein lapidares Bekenntnis zu traditionellen Familien- und Geschlechterrollen. Es ist vielmehr der strategische Versuch, junge Menschen niedrigschwellig an AfD-Positionen heranzuführen.[1] Im provokanten Politainmentstil bespielt die Partei auf den digitalen Plattformen unpolitisch anmutende Themen rund um die Probleme und persönlichen Unsicherheiten junger Männer und spricht diese damit direkt an. Aussagen wie „Du bist kein non-binäres Einhorn“[2] sollen die Identifikation mit dem eigenen Geschlecht bekräftigen und vermitteln darüber hinaus eine klare Vorstellung davon, wie soziale Realität und gesellschaftliche Ordnung auszusehen haben.
Damit ist die AfD überaus erfolgreich, wie die demographische Verteilung der Wahlergebnisse in Sachsen, Thüringen und Brandenburg illustriert hat.[3] Jeder vierte Mann zwischen zwölf und 25 Jahren verortet sich laut Shell-Jugendstudie 2024 rechts oder eher rechts, während es vor fünf Jahren noch nicht einmal jeder fünfte Mann war. Parallel dazu orientieren sich junge Frauen eher nach links und propagieren deutlich öfter progressive Werte.[4] Weil offenbar gerade junge Männer die gesellschaftliche Neuverhandlung von Geschlechterrollen und Männlichkeit sowie die damit einhergehende zunehmende Gleichberechtigung der Geschlechter als subjektiven Rückschritt empfinden, sind sie besonders empfänglich für die Botschaften populistischer Polarisierungsakteure. In einer unübersichtlichen Welt erklären diese das liberale System zur Ursache der Krise und inszenieren sich als Rebellen gegen das politische Establishment. Dessen Politik basiere auf der Zensur bestimmter Meinungen und forciere die ökonomische Benachteiligung von heterosexuellen Männern. Damit knüpfen sie an eine Internetcommunity an, die junge Männer mit unpolitischen Themen wie Fitness und Selbstoptimierung anspricht und die wir aufgrund ihrer Verbindung einer alpha-männlichen Privatidentität mit einer libertären Gesellschaftsvorstellung als „Alphatäre“ bezeichnen. Alphatäre verstehen sich als Nutzenmaximierer, die einer Vorstellung vom Leben als „survival of the fittest“ anhängen und ihr Identitäts- und Selbstwertgefühl daraus schöpfen, dass sie sich in dieser vermeintlich „wahren Realität“ optimal behaupten – durch radikale Selbstermächtigung und den Ausstieg aus der politischen Solidargemeinschaft. Damit aber ebnen sie einer antiliberalen Geisteshaltung den Weg.
Andrew Tate: Kämpfer gegen die »feministisch-liberale Matrix«
Wie eng die Wahlkampfstrategien autoritärer Populisten mit den Lifestyle-Themen digitaler Subkulturen verknüpft sind, zeigte der US-Wahlkampf: Während Donald Trump von seinem Wahlkampfteam gezielt in bekannten Podcasts positioniert wurde, riefen einige Makroinfluencer mit hoher Reichweite direkt zu dessen Wiederwahl auf. Der in Rumänien lebende britische Influencer und selbsternannte Life-Coach Andrew Tate, der auf „X“ über knapp zehn Millionen Follower verfügt und von seinen Fans als provokative Ikone eines archaischen Männlichkeitsideals gefeiert wird, pries Trump als „letzte Hoffnung für die westliche Zivilisation“[5] und verstärkte dessen Botschaften in den Echokammern einer überwiegend jungen, männlichen Zielgruppe. Seine dortige Popularität hat weniger mit seinem politischen Aktivismus zu tun als vielmehr mit seinem unpolitischen Werdegang. Dieser umfasst eine Kickboxkarriere, die Gründung dubioser, auf der Ausbeutung junger Frauen beruhender Webcam-Model-Agenturen – wegen derer Tate sich aktuell in Rumänien vor Gericht verantworten muss[6] –, und spekulative Investmentberatung in Kryptowährungen.
In seinen Maskulinitätsdiskursen deutet Andrew Tate vermeintlich unpolitische Themen wie wirtschaftlichen Aufstieg, körperliche Selbstoptimierung und Geschlechtsempfinden zu Elementen einer antiliberalen Identitätsbildung um – und genau das macht sie politisch relevant. Grundlegend für den von Tate propagierten existenziellen Kampf um Selbstermächtigung ist der Begriff der Matrix, der in bewusster popkultureller Analogie zum gleichnamigen Blockbuster ein angebliches Herrschaftssystem der Superreichen beschreibt. Dieses kontrolliere die breite Masse der Bevölkerung mittels „Indoktrination und gesellschaftlicher Programmierung“ mit dem Ziel, sie in einen „vollständigen Sklaven-Modus“ zu drängen, um die herrschende sozioökonomische Hierarchie aufrechtzuerhalten und den Profit der Geldelite zu maximieren.[7] Dieses „gezielt manipulierte“ System ziele darauf ab, „die Reichen reicher zu machen und die Armen arm zu halten“. Den Staat sieht Tate als ein Werkzeug der Superreichen, der das moderne Sklaventum systematisch fördere, indem er eine tyrannische Steuer- und Geldpolitik betreibe. Zentrales Vehikel dabei sei die Macht der Regierung über das Geld, das sie „nach Belieben aus dem Nichts erschaffen“ könne, während die „normalen“ Menschen darauf „programmiert“ seien, den Großteil ihres Tages zu investieren, um dieses Geld zu verdienen – allein um sich damit „Essen und ein Dach über dem Kopf“ leisten zu können.[8]
Um dieses System aufrechtzuerhalten, versuche die Matrix, den Menschen ein falsches Bewusstsein über sich selbst einzuimpfen – dazu dient Tate zufolge insbesondere der Diskurs um Toleranz und Emanzipation durch den Feminismus sowie die Queerbewegung. Mit der sich dadurch vollziehenden Auflösung der „ursprünglichen“, durch „männliche Dominanz geprägten“ Geschlechterordnung gehe die Grundlage für zivilisatorische Entwicklung verloren.[9] Die Feminisierung der Gesellschaft, die frühkindliche Sexualerziehung und die damit einhergehende Relativierung der Geschlechter führe bei Männern zu Orientierungslosigkeit und dem Verlust männlicher Tugenden wie Mut, Disziplin, Verantwortungsbewusstsein und Rationalität. Der „feminisierte Mann“ werde gar zu einer „Gefahr für die Gesellschaft“: unterdrückte Triebe und hemmungslose Emotionalität böten den Nährboden für eine Explosion irrationaler Gewalt und ließen junge Männer zu „Amokläufern“ und „Vergewaltigern“ werden. Zudem senke der mit der Feminisierung einhergehende Verlust männlicher Anziehungskraft die Fertilitätsrate.[10]
Um aus dieser Matrix auszubrechen, propagiert der 38-Jährige einen Selbstermächtigungsplan sowie Rebellion gegen die vermeintlichen Zwänge des postmodernen Zeitalters. Freiheit bedeutet für ihn, sich als Mann selbst zu optimieren – hin zu einer autonomen „Kämpfernatur“. Damit junge Männer ökonomisch erfolgreich sein können[11], empfiehlt Tate ihnen etwa eine dubiose Vermögensberatung zu Kryptogeschäften auf seiner Onlineplattform „The Real World“, früher bekannt als „Hustler-University“.[12] Die radikale Abgrenzung vom herrschenden Gesellschaftssystem macht Tates Ideologie politisch relevant: Der von ihm idealisierte politische Mann ist ein materiell orientierter, hochkompetitiver Handlungsoptimierer, der in ganz bewusster Abgrenzung zum „Durchschnittsmann“ und dem diesen klein haltenden politischen System agiert.[13]
Diese unpolitisch daherkommende, aber in ihren Auswirkungen hochpolitische Mobilisierung junger Männer ist allerdings kein rein US-amerikanisches Phänomen. Hierzulande lässt sich der deutsch-amerikanische Lifestyle- und Makroinfluencer Karl Ess mit seinem männlich-machohaften Auftreten und Millionen Klicks auf Youtube mit Andrew Tate vergleichen. In seinen Videos protzt der 35-Jährige mit seinem Reichtum und preist Strategien zur schnellen Vermögensakkumulation an. Überhaupt bildet Reichtum für Ess das zentrale Element seines Programms zur Selbstermächtigung: Dabei empfiehlt er jungen Männern den Handel mit Bitcoins und strikte Fitnessprogramme, um sowohl das körperliche Wohlbefinden als auch die Attraktivität bei Frauen zu fördern und ein nachhaltiges Selbstbewusstsein zu entwickeln, mit dem diese, so Ess, „sich nicht vom Leben ficken lassen, sondern das Leben ficken“ sollen.[14]
Machotum à la Karl Ess: Mit Bitcoins und Muskeln gegen das System
Ähnlich wie Tate beklagt auch Ess eine Verweichlichung vieler Männer, die sich zunehmend vom traditionellen Rollenbild des physischen Versorgers abwendeten. Und wie Tate führt auch Ess die behauptete Krise der Männlichkeit auf den Feminismus zurück, der die natürliche Unterordnung der Frau unter den Mann verkehre, sodass es „fast schon sozial völlig akzeptiert“ sei, „dass eine Frau sich scheidet und fremdgeht […], und dann ist es auch noch die Schuld vom Mann“.[15] Auch Ess nimmt in seiner Kritik das liberaldemokratische System ins Visier: Dieses sei mit seiner wohlfahrtsstaatlichen Ausrichtung darauf ausgelegt, Männer zu unterwürfigen Verlierern zu machen. Symptomatisch hierfür stehe das Bürgergeld, das dem Mann seinen natürlichen Antrieb nehme, die Frau zu versorgen. Die dadurch verstärkte Krise des männlichen Daseins bewirke gar einen wirtschaftlichen Einbruch der gesellschaftlichen Produktivität.[16] Die Verantwortung dafür trügen laut Ess die linksliberale Politik sowie Frauen als Wählerinnen dieser Parteien, während die AfD die einzige Partei sei, die sich gegen diesen „linken, grünen, kommunismusmäßigen Schwachsinn“[17] richte – ein indirekter Wahlaufruf.[18] Dabei behauptet er auch, dass die AfD eigentlich eine schweigende Mehrheit vertrete.[19] Indem er die eigene Position mit dem vermeintlichen „Willen des Volkes“ gleichsetzt, das angeblich gegen korrupte Eliten verteidigt werden müsse, bedient sich Ess einer typischen Erzählung des autoritären Populismus. Liberale Institutionen gelten in dieser als Hindernis für den Volkswillen. Und so kann es kaum verwundern, dass Ess in seinen Videos schließlich auch das demokratische System als solches infrage stellt – durch einen Vergleich mit Unternehmen, die auch nicht demokratisch organisiert seien.[20] Damit aber legitimiert Ess letztlich autokratische Herrschaft.
Der Podcast der beiden Influencer Hoss & Hopf, ebenfalls mit Millionen-Reichweite und einer der meistgehörten Podcasts in Deutschland, basiert auf nicht minder steilen Thesen, emotional zugespitzten Themen und einem maximal lockeren Umgang mit Quellenangaben. Die Rollen der beiden Gastgeber Kiarash Hossainpour und Philip Hopf sind dabei klar verteilt: Hopf, erfolgreicher Finanzberater im klassischen Aktienmarkt, übernimmt die Rolle des scharfzüngigen Kommentators, während Hossainpour, genannt Kian Hoss, als Experte im Kryptomarkt und scheinbar objektiver Vermittler auftritt. Laut eigenen Angaben wollen die beiden mit ihrem Podcast jungen Menschen Themen wie Selbstoptimierung, Philosophie und Geopolitik näherbringen. Dabei blicke man über den Tellerrand hinaus und präsentiere vermeintliche Fakten, die anderswo nicht zu finden seien.
Hoss & Hopf: Selbstermächtigung gegen die elitäre Weltverschwörung
Die immer wiederkehrende Thematisierung von Reichtum, Krypto und Investmentstrategien verknüpft jenes Vorpolitische mit einer pseudo-investigativen Gesellschaftsanalyse, wie sie auch bei Tate zu finden ist. Kryptowährung wird hier als Instrument präsentiert, um sich politische Freiheit zu erkaufen und sich vor einem repressiven Staat sowie einer bevormundenden Gesellschaft zu schützen. Notwendig sei dies aufgrund der Zentralbanken, die die „höchste Machtposition“ innehätten, da sie Währungen erschaffen, kontrollieren und beliebig reproduzieren könnten. Auf diese Weise würden sie dem Westen unter Führung der USA die Macht verleihen, Länder zu unterdrücken, die sich deren Agenda widersetzten.[21] Dem jährlichen Weltwirtschaftsforum in Davos komme eine Schlüsselrolle bei der absoluten Kontrolle der Gesellschaft zu, wie Hoss und Hopf in verschwörungsideologischer Manier ausführen: Laut Hoss diene das Forum dazu, politische Schlüsselaufgaben zu definieren, „die eine gewisse Elite für die Welt vorgesehen“ habe. Der Gründer und geschäftsführender Vorsitzender des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwaab, gilt den Podcastern als Gallionsfigur einer nicht klar identifizierbaren globalen Schattenelite, die alle Politiker dieser Welt, „egal ob Linke oder Rechte“, in eine autoritäre Agenda einspanne, um Gesellschaften in Richtung eines Weltsozialismus umzugestalten.[22]
Ideologischer Wegbereiter des behaupteten Elitenprojekts eines Weltsozialismus sei – Überraschung – der Feminismus. Ähnlich wie Tate und Ess stellen auch Hoss & Hopf die weibliche Emanzipation als eine existenzielle Bedrohung für den Mann dar und attackieren einen angeblich vom Staat propagierten „Genderwahnsinn“, der in den westlichen Gesellschaften so rigoros und flächendeckend durchgesetzt werde, dass sich die Frage stelle, ob Gegner der Ideologie mit Gefängnisstrafen rechnen müssten. Ein „gesunde[r] Feminismus“ würde Frauen dagegen als „Mütter[n] ein eigenes Gehalt“ zahlen, „wenn eine Mutter sagt, ich ziehe mein Kind auf, ich bin zu Hause“.[23] Dadurch könnten sich mehr Frauen bewusst für diese angeblich natürliche Rollenverteilung entscheiden, während der Mann sich uneingeschränkt auf die Akkumulation von Vermögen konzentrieren könne.
Selbsterwirtschafteter Reichtum wird hier vor allem von Hopf als Möglichkeit angepriesen, die eigenen Kinder von staatlichen Institutionen fernzuhalten, die eine frühkindliche Gehirnwäsche im Sinne des Systems betreiben würden – mittels gezielter Erziehungskonzepte, die „Masturbationsräume“, das „Gendern“ sowie „Regenbogen und 76 Geschlechter“ beinhalteten.[24]
Indem Zitate von Politikern aus dem Zusammenhang gerissen und Positionen entkontextualisiert werden, versuchen Hoss & Hopf ihr Weltbild als faktenbasierte Erkenntnis erscheinen zu lassen. Unterlegt wird das Ganze mit einem Potpourri aus linken und rechten Verschwörungsideologien, die den Hörer in einen krisenzentrierten Diskurs hineinziehen sollen, in dem allgegenwärtige Unsicherheit als Dauerzustand erscheint. In dieser Weltvorstellung werden Krisen immer durch das Fehlverhalten von durch Geldeliten gesteuerten Politikern ausgelöst. Ob eine die Produktivität vernichtende Besteuerung, eine durch die Coronaimpfung ausgelöste „Welle an Turbokrebs“[25] oder eine die Großindustrie schädigende Politik und die damit einhergehende „Demontage Deutschlands“; Hoss & Hopf versuchen alles, um den Hörern Misstrauen gegen die hiesige Politik einzuimpfen.
Bereits in ihrer ersten Folge mit dem Titel „Gute Zeiten, schwache Männer, schwache Männer, harte Zeiten“ geben die beiden Podcaster vor, ihren Hörern über Selbstoptimierungsstrategien einen Ausweg anzubieten: Harte Männer, die in schweren Zeiten gebraucht würden, dürften keine Opfer sein, die zur Psychotherapie gingen. Wer es schaffe, „der Einäugige unter den Blinden zu sein […], in einem Meer von Blinden, die meinen, es ist wichtiger zu gendern und sich seine Pronomen auszusuchen“[26], und hart an sich arbeite, werde in der verweichlichten Welt Erfolg haben. Es ist eine Kampfansage an ein staatlich organisiertes Solidaritätsprinzip, die sich politisch – neben der Bewunderung für libertäre Größen wie Donald Trump, Elon Musk oder Javier Milei – vor allem in einem Flirt mit den Positionen der AfD äußert. Hoss & Hopf diskutierten diese aufgrund ihrer Ablehnung der Migration, ihrer Forderung nach radikaler Kürzung von Sozialhilfeprogrammen und ihren fiskalischen Plänen als tatsächliche Alternative, die zur wirtschaftlichen Gesundung Deutschlands beitragen könne – und sprachen damit indirekt eine klare Wahlempfehlung aus.
Kennzeichnungspflicht für Desinformation?
Die Agitation eines Elon Musk, der sich als Retter der globalen Meinungsfreiheit geriert, und die Entscheidung von Meta-Gründer Mark Zuckerberg, Inhalte auf seinen Plattformen fortan nicht mehr auf Desinformationen zu prüfen und radikale Redefreiheit durchzusetzen, werden solche Podcasts und Influencer mit antiliberaler Agenda weiter fördern. Liberal-demokratische Politikerinnen und Politiker müssen deshalb gezielt dort Präsenz zeigen, wo junge Männer aktiv sind, und diese Plattformen ebenso konsequent nutzen wie autoritäre Populisten. Zugleich gilt es, digitale Räume als bedeutende Orte der Sozialisation und Identitätsbildung anzuerkennen.
Vor diesem Hintergrund ist die politische Förderung von Konzepten wie beispielsweise des „Digital Streetwork“[27] zur Stärkung der Medienkompetenz junger Menschen zu begrüßen. Angesichts der zunehmenden Menge und wachsenden Popularität fragwürdiger Makroinfluencer stellt sich darüber hinaus die Frage nach der Wehrhaftigkeit liberaler Politik gegen antidemokratische Tendenzen in der digitalen Welt.
Um der nicht zuletzt sicherheitspolitischen Gefahr eines Informationskriegs um die Köpfe zu begegnen, gilt es, eine teil-interventionistische Medienpolitik zu betreiben, die gegen gezielte Desinformation vorgeht, Transparenzmechanismen stärkt und wirksame Kontrollinstrumente etabliert, um die Manipulation öffentlicher Diskurse zu erschweren und das Machtgefälle zwischen Plattformen und Nutzern zu verringern. Erfolgversprechende Ansätze sind der Digital Services Act, mit dessen Hilfe sich illegale Inhalte von Social-Media-Plattformen entfernen lassen, sowie die Bestrebungen der neuen Bundesregierung, die vorsätzliche Verbreitung von Falschinformationen künftig nicht mehr unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen zu lassen. Dennoch bleibt es für den liberalen Staat ein Drahtseilakt, die subtilen Gefahren von Desinformation für die Demokratie ernst zu nehmen, dabei weiterhin die Meinungsfreiheit zu gewährleisten und zugleich der Verpflichtung zum Jugendschutz gerecht zu werden, der damit beginnt, Menschen nicht blindlinks in die Fänge von verschwörungsideologischen Akteuren rennen zu lassen.
Um den demokratiegefährdenden Auswirkungen von Desinformation zu begegnen, muss einerseits das Verständnis für die Geschäftsmodelle der Polarisierungsunternehmer durch kritische digitale Bildungsprogramme gefördert[28] und müssen andererseits junge Menschen im Umgang mit Meinungsfreiheit geschult werden. Meinungsangebote mit hoher Popularität, deren Fragwürdigkeit seriöse Analysen nahelegen, könnten, wie Lebensmittel auch, aufgrund ihres problematischen Inhaltes als solche von den jeweiligen Plattformbetreibern gekennzeichnet werden. Damit würde keine Zensur betrieben, die das Narrativ der Polarisierungsunternehmer ohnehin nur bestätigen würde. Digitale Plattformen stünden vielmehr in der Pflicht, Inhalte in Zusammenarbeit mit lizensierten zivilgesellschaftlichen Meldestellen zu prüfen. Denn Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass jede Aussage unwidersprochen bleiben muss; vielmehr erfordert sie, dass Argumente mit Fakten untermauert werden. Widerspruch selbst ist keine Einschränkung der Meinungsfreiheit, sondern deren wesentlichster Ausdruck.
[1] Vgl. Erik Ahrens, Die Ökonomie der Aufmerksamkeit – Teil 1/4, sezession.de, 28.2.2024.
[2] Christian Schiffer, Wie die AfD auf TikTok junge Männer umgarnt, br.de, 4.6.2024.
[3] Vgl. etwa Marcel Fratscher, Warum die AfD bei jungen Männern so gut ankommt, diw.de, 9.9.2024.
[4] Vgl. Mathias Albert u.a., 19. Shell Jugendstudie. Jugend 2024. Pragmatisch zwischen Verdrossenheit und gelebter Vielfalt, Weinheim 2024.
[5] Andrew Tate, on Trump 2024, youtube.com/shorts/6ZD1DlBDHPw.
[6] Vgl. Andrew Tate, König der toxischen Männlichkeit, sueddeutsche.de, 3.2.2025.
[7] Andrew Tate, „ESCAPE THE MATRIX!“ – Andrew Tate’s Brutal Honest Advice, youtube.com, 11.3.2023.
[8] Ebd.
[9] Andrew Tate, The KING of Toxic Masculinity – a Conversation with Cobra Tate in Warsaw Poland, youtube.com, 22.4.2019.
[10] Ders., Andrew Tate On The Problems Of Modern Men And The Need For Masculinity, youtube.com, 29.12.2022.
[11] Ders., Andrew Tate’s most watched Interview, youtube.com, 10.10.2022.
[12] Ders., MONEY IS FREEDOM – Motivational Speech (Andrew Tate Motivation), youtube.com, 5.8.2024.
[13] Ders., ALLERGIC TO AVERAGE – Andrew Tate Motivation | Motivational Speech | Andrew Tate., youtube.com, 25.6.2023.
[14] Karl Ess, Entweder das eine oder das andere, instagram.com, 5.10.2024.
[15] Ders., Ist doch eh völlig normal alles oder? Absolut krank Leute, instagram.com, 8.10.2024.
[16] Ders., Zu wem willst du gehören?, instagram.com, 27.10.2024.
[17] Ders., War gerade wieder in einem Podcast zu Gast, bald kommen dazu weitere Videos! Harter REALTALK wartet auf euch!, instagram.com, 22.9.2024.
[18] Ders., Sind die AFD alle Nazis? Was sagst du dazu?, instagram.com, 3.10.2024.
[19] instagram.com/reel/C_0ufQLIPPW/.
[20] Karl Ess, Was ist deine Meinung zu Demokratie? Sollte jeder mitreden dürfen?, instagram.com, 25.10.2024.
[21] Hoss & Hopf, Brauchen wir den Bitcoin überhaupt? – Hoss und Hopf #24, youtube.com, 16.12.2022.
[22] Dies., WEF 2024: Was ist der „geheime“ Plan der Eliten? – Hoss und Hopf #138, youtube.com, 19.1.2024.
[23] Dies., Sollen Mütter ein eigenes Gehalt bekommen?, instagram.com, 7.6.2024.
[24] Dies., Warum das traditionelle [sic!] Familienbild gefährlich ist! – Hoss und Hopf #207, youtube.com, 24.9.2024.
[25] Dies., Turbokrebs kommt?!, youtube.com/shorts/wXBPSfyeeCE.
[26] Dies., Sei der Einäugige unter den Blinden!, instagram.com, 28.10.2024.
[27] Christina Dinar und Fabian Wiedel, Soziale Arbeit in hybriden Lebenswelten, in: „MedienConcret – Magazin für pädagogische Praxis“, 2023.
[28] Craig Haslop u.a., Mainstreaming the Manosphere’s Misogyny Through Affective Homosocial Currencies: Exploring How Teen Boys Navigate the Andrew Tate Effect, in: „Social media + society”, 1/2024.