(1) Vertreter der Teilnehmerstaaten der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, der Heilige Stuhl, Irland, Island, Italien, Jugoslawien, Kanada, Kasachstan, Kirgisien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Moldau, Monaco, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, die Russische Föderation, San Marino, Schweden, die Schweiz, Spanien, die Tschechische und Slowakische Föderative Republik, Tadschikistan, die Türkei, Turkmenistan, die Ukraine, Ungarn, Usbekistan, das Vereinigte Königreich, die Vereinigten Staaten von Amerika und Zypern, tagten in Wien in Übereinstimmung mit den in den Abschließenden Dokumenten der in Madrid und in Wien abgehaltenen Folgetreffen der KSZE enthaltenen Bestimmungen bezüglich der Konferenz über Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa.
(2) Die Verhandlungen dauerten vom 9. März 1989 bis zum 4. März 1992.
(3) Die Teilnehmerstaaten erinnerten daran, daß es das Ziel der Konferenz über Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa als substantieller und integraler Bestandteil des durch die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa eingeleiteten multilateralen Prozesses ist, etappenweise neue, wirksame und konkrete Schritte zu unternehmen, die darauf gerichtet sind, Fortschritte bei der Festigung des Vertrauens und der Sicherheit und bei der Verwirklichung der Abrüstung zu erzielen, um der Pflicht der Staaten, sich der Androhung oder Anwendung von Gewalt in ihren gegenseitigen Beziehungen sowie in ihren internationalen Beziehungen im allgemeinen zu enthalten, Wirkung und Ausdruck zu verleihen.
(4) Die Teilnehmerstaaten erkannten an, daß die im vorliegenden Dokument angenommenen, einander ergänzenden vertrauens- und sicherheitsbildenden Maßnahmen, die im Einklang mit den Mandaten der KSZE-Folgetreffen von Madrid und Wien stehen, durch ihren Umfang und ihre Natur sowie durch ihre Durchführung dazu dienen, Vertrauen und Sicherheit zwischen den Teilnehmerstaaten zu festigen.
(5) Die Teilnehmerstaaten erinnerten an die in Absatz (9) bis (27) des Dokuments der Stockholmer Konferenz enthaltene Erklärung über die Enthaltung von der Androhung oder Anwendung von Gewalt und unterstrichen ihre fortdauernde Gültigkeit im Lichte der Charta von Paris für ein neues Europa.
(6) Vom 8. bis 18. Oktober 1991 erörterten die Teilnehmerstaaten, in Form eines Seminars, die Militärdoktrinen in bezug auf die Dispositive, Strukturen und Aktivitäten konventioneller Streitkräfte in der Anwendungszone für vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen *). Die Erörterungen bauten auf den Ergebnissen des ersten derartigen Seminars auf, das vom 16. Januar bis 5. Februar 1990 in Wien abgehalten worden war.
(7) Am 17. November 1990 nahmen die Teilnehmerstaaten das Wiener Dokument 1990 an, das auf den im Dokument der Stockholmer Konferenz 1986 enthaltenen vertrauens- und sicherheitsbildenden Maßnahmen aufbaute und diese ergänzte.
(8) In Erfüllung der Charta von Paris für ein neues Europa vom November 1990 setzten sie die VSBM-Verhandlungen auf der Grundlage desselben Mandats fort und haben das vorliegende Dokument angenommen, das einen Satz neuer vertrauens- und sicherheitsbildender Maßnahmen mit zuvor angenommenen Maßnahmen verbindet.
(9) Die Teilnehmerstaaten haben folgendes angenommen:
I. Jährlicher Austausch militärischer Information Information über Streitkräfte
(10) Die Teilnehmerstaaten werden jährlich Informationen über ihre Streitkräfte bezüglich der militärischen Organisation, Personalstärke und Hauptwaffensysteme und des Großgeräts, wie unten näher beschrieben in der Anwendungszone für vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen (VSBM) austauschen.
(11) Die Information wird allen anderen Teilnehmerstaaten in einem vereinbarten Format bis spätestens 15. Dezember eines jeden Jahres mit Stand vom 1. Januar des folgenden Jahres übermittelt und wird enthalten:
(11.1) 1. Information über die Kommandostruktur jener Streitkräfte, auf die in den Punkten 2 und 3 Bezug genommen wird, mit Angabe der Bezeichnung und Unterstellung aller Truppenformationen *) und Truppenteile **) auf jeder Kommandoebene bis hinunter zu und einschließlich Brigade/Regiment oder einer gleichwertigen Ebene. (11.1.1) Jeder Teilnehmerstaat, der Informationen über Streitkräfte übermittelt, wird eine Erklärung anfügen, in der die Gesamtzahl der darin enthaltenen Truppenteile und die daraus folgende jährliche Überprüfungsquote gemäß Absatz (114) angegeben wird. (11.2) 2. Für jede Truppenformation und für jeden Kampftruppenteil der Landstreitkräfte ***) bis hinunter zu und einschließlich Brigade/Regiment oder einer gleichwertigen Ebene wird die Information angeben: (11.2.1) - die Bezeichnung und Unterstellung; (11.2.2) - ob aktiv oder nicht-aktiv ****); (11.2.3) - den normalen Friedensstandort ihres/seines Kommandos, angegeben durch genaue geographische Bezeichnungen und/oder Koordinaten; (11.2.4) - die/den personelle(n) Friedenssollstärke/-sollbestand; (11.2.5) - die/das organisch zugehörige(n) Hauptwaffensysteme/ Großgerät, unter Angabe der Anzahl jedes Typs (...) Daten über Hauptwaffensysteme und Großgerät
(12) Die Teilnehmerstaaten werden Daten über ihre Hauptwaffensysteme und ihr Großgerät, die in den Bestimmungen betreffend Information über Streitkräfte innerhalb der Anwendungszone für VSBM festgelegt sind, austauschen.
(12.1) Daten über vorhandene Waffensysteme und vorhandenes Großgerät werden allen anderen Teilnehmerstaaten einmal, bis spätestens 15. Dezember 1992, übermittelt.
(12.2) Daten über neue Typen oder Versionen von Hauptwaffensystemen und Großgerät werden von jedem Staat übermittelt, wenn seine Planungen zur Indienststellung der betreffenden Systeme/des betreffenden Geräts erstmals gemäß unten angeführten Absätzen (14) und (15) übermittelt werden, oder spätestens, wenn er die betreffenden Systeme/das betreffende Gerät erstmals in der Anwendungszone für VSBM in Dienst stellt. Hat ein Teilnehmerstaat bereits Daten über denselben neuen Typ oder dieselbe neue Version übermittelt, so können andere Teilnehmerstaaten gegebenenfalls die Gültigkeit dieser Daten bestätigen, sofern eines ihrer Systeme betroffen ist. (...)
Information über Planungen zur Indienststellung von Hauptwaffensystemen und Großgerät
(14) Die Teilnehmerstaaten werden jährlich Informationen über ihre Planung zur Indienststellung von Hauptwaffensystemen und Großgerät, wie in den Bestimmungen über Informationen über Streitkräfte angeführt, in der Anwendungszone für VSBM, austauschen.
(15) Die Information wird allen anderen Teilnehmerstaaten in einem vereinbarten Format bis spätestens 15. Dezember eines jeden Jahres übermittelt. Sie wird Planungen für das folgende Jahr umfassen und folgendes enthalten: (15.1) - den Typ und die Bezeichnung des indienstzustellenden Waffensystems/Geräts; (15.2) - die Gesamtzahl für jedes Waffensystem/Gerät; (15.3) - wann immer möglich, die Anzahl jedes Waffensystems/ Geräts, die jeweils einer Truppenformation/einem Truppenteil zugeteilt werden soll; (15.4) - in welchem Maße die Indienststellung vorhandene(s) Waffensysteme/Gerät ergänzen oder ersetzen wird. Information über Militärhaushalte
(16) Die Teilnehmerstaaten werden jährlich Informationen über ihre Militärhaushalte des bevorstehenden Haushaltsjahres austauschen und dabei die Militärausgaben auf der Grundlage jener Kategorien einzeln anführen, wie sie in dem am 12. Dezember 1980 angenommenen "Standardisierten internationalen Berichtssystem über Militärausgaben" (Instrument for Standardized International Reporting of Military Expenditures) der Vereinten Nationen dargelegt sind. (16.1) Die Information wird allen anderen Teilnehmerstaaten spätestens zwei Monate nachdem der Militärhaushalt von den zuständigen nationalen Körperschaften genehmigt wurde, zur Verfügung gestellt. (16.2) Jeder Teilnehmerstaat kann jeden anderen Teilnehmerstaat um Klarstellung zu der gelieferten Information über den Haushalt ersuchen. Fragen sollten binnen zwei Monaten nach Erhalt der Information eines Teilnehmerstaates über seinen Haushalt gestellt werden. Die Teilnehmerstaaten werden alle Anstrengungen unternehmen, um solche Fragen vollständig und prompt zu beantworten. Die Fragen und Antworten können allen anderen Teilnehmerstaaten übermittelt werden.
II. Verminderung der Risiken Mechanismus für Konsultationen und Zusammenarbeit in bezug auf ungewöhnliche militärische Aktivitäten
(17) Die Teilnehmerstaaten werden bezüglich jeglicher ungewöhnlicher und unvorhergesehener Aktivitäten ihrer Streitkräfte, die außerhalb ihrer normalen Friedensstandorte in der Anwendungszone für VSBM stattfinden, militärisch bedeutsam sind und bezüglich derer ein Teilnehmerstaat Besorgnis hinsichtlich seiner Sicherheit äußert, in Übereinstimmung mit den folgenden Bestimmungen einander konsultieren und zusammenarbeiten. (17.1) Der Teilnehmerstaat, der bezüglich einer solchen Aktivität besorgt ist, kann einem anderen Teilnehmerstaat, in dem die Aktivität stattfindet, ein Ersuchen um eine Erklärung übermitteln. (...)
Zusammenarbeit bei gefährlichen Zwischenfällen militärischer Art
(18) Die Teilnehmerstaaten werden durch Melden und Klarstellen von gefährlichen Zwischenfällen militärischer Art in der Anwendungszone für VSBM zusammenarbeiten, um möglichen Mißverständnissen vorzubeugen und die Auswirkungen auf einen anderen Teilnehmerstaat zu vermindern. (18.1) Jeder Teilnehmerstaat wird eine Stelle bezeichnen, die im Fall solcher gefährlicher Zwischenfälle zu kontaktieren ist, und alle anderen Teilnehmerstaaten davon in Kenntnis setzen. Eine Liste dieser Stellen wird im Konfliktverhütungszentrum verfügbar gehalten. (18.2) Ereignet sich ein solcher gefährlicher Zwischenfall, soll der Teilnehmerstaat, dessen Streitkräfte an diesem Zwischenfall beteiligt sind, den anderen Teilnehmerstaaten die verfügbaren Informationen unverzüglich zuleiten. Gegebenenfalls kann jeder von einem solchen Zwischenfall betroffene Teilnehmerstaat um Klarstellung ersuchen. Solche Ersuchen werden umgehend beantwortet. (18.3) Mitteilungen zwischen den Teilnehmerstaaten werden vorzugsweise über das VSBM-Kommunikationsnetz übermittelt. (18.4) Mit der Information über solche gefährlichen Zwischenfälle im Zusammenhang stehende Fragen können von den Teilnehmerstaaten im Konfliktverhütungszentrvm erörtert werden, und zwar entweder bei den im Zentrum abgehaltenen Jährlichen Treffen zur Beurteilung der Durchführung der VSBM oder bei dort anberaumten zusätzlichen Treffen. (18.5) Diese Bestimmungen werden weder die Rechte und Pflichten der Teilnehmerstaaten berühren, die sich aus irgendeinem internationalen Übereinkommen über gefährliche Zwischenfälle ergeben, noch werden sie zusätzliche Melde- und Klarstellungsverfahren bei gefährlichen Zwischenfällen ausschließen. (...)
X. Jährliches Treffen zur Beurteilung der Durchführung
(151) Die Teilnehmerstaaten werden jedes Jahr ein Treffen abhalten, um die gegenwärtige und zukünftige Durchführung der vereinbarten VSBM zu erörtern. (...) Wien, den 4. März 1992 *)