Ausgabe November 1992

Das deutsche Volk und seine Feinde

Seit vielen Monaten kreist das Sinnen und Trachten der Politiker, das Räsonnieren der Medien und das Grollen der Bürger um die Frage, wie man sich hierzulande der Asylbewerber erwehren kann. Statt sich der Vielzahl anderer Probleme zuzuwenden, basteln alle an dem Eindruck, als sei keines davon noch lösbar, bevor nicht dem angeblichen Mißbrauch des Asylrechts ein Ende bereitet worden wäre. Kritische Kommentare wittern ein Ablenkungsmanöver: Die ins Land drängenden Ausländer würden - wie weiland die Juden - zu Sündenböcken gestempelt, um vom Versagen der Politik abzulenken.

So griffig ein solcher Verdacht auch sein mag, er verkürzt unzulässig, wenn er die Ursache allein im taktischen Kalkül der Herrschenden lokalisiert. Die Situation hat komplexere Ursachen. Das schließt selbstverständlich nicht aus, daß herrschende oder zur Herrschaft strebende Kräfte dabei mitzumischen und daraus ihren Vorteil zu ziehen versuchen.

Allerdings besteht schon ein Zusammenhang zwischen den inneren Zuständen einer Gesellschaft und dem Ausmalen eines Feindbildes, das als Bedrohung dieser inneren Zustände erscheint. Das Feindbild festigt den Zusammenhalt einer Gesellschaft. In dieser integrativen Wirkung liegt letztlich auch der positive Effekt begründet, den Feindbilder für Herrschaftsverhältnisse haben.

November 1992

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Immer jünger, immer rechter: Teenager mit Baseballschlägern

von David Begrich

Ihre Haare sind kurz, gescheitelt und streng gekämmt. Sie zeigen den White Power- oder gar den Hitlergruß. Ist der Aufschwung der rechtsextremen Jugendszene wirklich etwas Neues – oder nur eine Fortsetzung neonazistischer Gewalt?

Maskulin und libertär

von Stefan Matern, Sascha Ruppert-Karakas

Echte Männer sind rechts“ – das auf Social Media viral gegangene Video des AfD-Politikers Maximilian Krah ist mehr als nur ein lapidares Bekenntnis zu traditionellen Familien- und Geschlechterrollen. Es ist vielmehr der strategische Versuch, junge Menschen niedrigschwellig an AfD-Positionen heranzuführen. Im provokanten Politainmentstil bespielt die Partei auf den digitalen Plattformen unpolitisch anmutende Themen rund um die Probleme und persönlichen Unsicherheiten junger Männer.