Der Wandel der Gesellschaft und die Zukunft der Sozialpolitik
Am 27. Mai 1993, unmittelbar nach der Änderung des Asylrechts und vor den Morden von Solingen, kündigte Finanzminister Waigel angesichts der "schärfsten Wirtschaftskrise seit Bestehen der Bundesrepublik" die Kürzung staatlicher Leistungen in Höhe von 20 Mrd. DM an: Haushaltskonsolidierung durch Sozialabbau. Die beabsichtigte Demontage des Sozialstaates auf dem Wege eines "Spar- und Konsolidierungsgesetzes" soll jene Bereiche treffen, die schon bei den Diskussionen um den Solidarpakt ganz oben auf der Regierungsliste gestanden hatten: Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, Erziehungsgeld und Mutterschaftspauschale, Kindergeldzahlungen, Ausbildungsförderung und Wohngeld. Nicht die neu drohende Umverteilung (siehe Wolfgang Bayer und Elisabeth Horstkötter, Solidarität statt "Solidarpakt". Daten und Kriterien zur deutschen Umverteilungsdebatte, in: "Blätter", 3/1993 steht im Mittelpunkt des folgenden Beitrags. Vielmehr geht es um die Grundzüge einer den vielfältigen gesellschaftlichen Wandel berücksichtigenden und aufnehmenden Sozialpolitik, die am Leitmotiv sozialer Gerechtigkeit festhält - Überlegungen, die ihren Wert gerade angesichts einer öffentlichen Debatte gewinnen, die auf die Konkurrenz von Streichposten fixiert ist.