Ausgabe Mai 1993

Heimat Zwo

Monumentalität im Fernsehen ist eine der Zeit. Wo im Kino durch Breitwand und Mehrkanalton ein Überschreiten der Grenze des Apparatezwangs versucht wird, sprengen Serien und Vielteiler im Fernsehen das Arrangement der "Vorstellung", jener auf der Identität eines abgeschlossenen Kunstwerks beruhenden theatralischen Performance-Konvention, der sich das neue Medium zunächst in abgeleiteten Angeboten wie "Fernsehspiel" und "Abendprogramm" angepaßt hat. Beziehen sich Hitlisten der "größten Filme aller Zeiten" auf die aufgewendeten (oder eingespielten) Dollarmillionen oder die Zahl der gewonnenen "Oscars", so scheinen im Fernsehen die Stunden zu zählen. Danach hat Edgar Reitz seinen eigenen Weltrekord (Heimat, 15 Stunden 40 Minuten) mit der Zweiten Heimat um fast zehn Stunden überboten - knapp gefolgt von Berlin Alexanderplatz (Fassbinder, 15 Std. 21 ) und Shoah (Lanzmann, 9 Std. 21). Interessant ist, daß die dem "Stern" entnommene Liste keine Fernsehserien enthält.

Denn von Unsere Nachbarn heute abend über Derrick, Bonanza und Dallas bis zur Lindenstraße würden vermutlich mehrere Dutzend Serien vor Reitz die ersten Plätze belegen.

Aber die Unterscheidung leuchtet ein: Das Monumentale eines Reitz-Projekts hat nichts zu tun mit dem Parallel-Alltag der Familien Schölermann oder Beimer.

Mai 1993

Sie haben etwa 35% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 65% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Immer jünger, immer rechter: Teenager mit Baseballschlägern

von David Begrich

Ihre Haare sind kurz, gescheitelt und streng gekämmt. Sie zeigen den White Power- oder gar den Hitlergruß. Ist der Aufschwung der rechtsextremen Jugendszene wirklich etwas Neues – oder nur eine Fortsetzung neonazistischer Gewalt?

Maskulin und libertär

von Stefan Matern, Sascha Ruppert-Karakas

Echte Männer sind rechts“ – das auf Social Media viral gegangene Video des AfD-Politikers Maximilian Krah ist mehr als nur ein lapidares Bekenntnis zu traditionellen Familien- und Geschlechterrollen. Es ist vielmehr der strategische Versuch, junge Menschen niedrigschwellig an AfD-Positionen heranzuführen. Im provokanten Politainmentstil bespielt die Partei auf den digitalen Plattformen unpolitisch anmutende Themen rund um die Probleme und persönlichen Unsicherheiten junger Männer.