Ausgabe Mai 1993

Heimat Zwo

Monumentalität im Fernsehen ist eine der Zeit. Wo im Kino durch Breitwand und Mehrkanalton ein Überschreiten der Grenze des Apparatezwangs versucht wird, sprengen Serien und Vielteiler im Fernsehen das Arrangement der "Vorstellung", jener auf der Identität eines abgeschlossenen Kunstwerks beruhenden theatralischen Performance-Konvention, der sich das neue Medium zunächst in abgeleiteten Angeboten wie "Fernsehspiel" und "Abendprogramm" angepaßt hat. Beziehen sich Hitlisten der "größten Filme aller Zeiten" auf die aufgewendeten (oder eingespielten) Dollarmillionen oder die Zahl der gewonnenen "Oscars", so scheinen im Fernsehen die Stunden zu zählen. Danach hat Edgar Reitz seinen eigenen Weltrekord (Heimat, 15 Stunden 40 Minuten) mit der Zweiten Heimat um fast zehn Stunden überboten - knapp gefolgt von Berlin Alexanderplatz (Fassbinder, 15 Std. 21 ) und Shoah (Lanzmann, 9 Std. 21). Interessant ist, daß die dem "Stern" entnommene Liste keine Fernsehserien enthält.

Denn von Unsere Nachbarn heute abend über Derrick, Bonanza und Dallas bis zur Lindenstraße würden vermutlich mehrere Dutzend Serien vor Reitz die ersten Plätze belegen.

Aber die Unterscheidung leuchtet ein: Das Monumentale eines Reitz-Projekts hat nichts zu tun mit dem Parallel-Alltag der Familien Schölermann oder Beimer.

Mai 1993

Sie haben etwa 35% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 65% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Immer jünger, immer rechter: Teenager mit Baseballschlägern

von David Begrich

Ihre Haare sind kurz, gescheitelt und streng gekämmt. Sie zeigen den White Power- oder gar den Hitlergruß. Ist der Aufschwung der rechtsextremen Jugendszene wirklich etwas Neues – oder nur eine Fortsetzung neonazistischer Gewalt?

Maskulin und libertär

von Stefan Matern, Sascha Ruppert-Karakas

Echte Männer sind rechts“ – das auf Social Media viral gegangene Video des AfD-Politikers Maximilian Krah ist mehr als nur ein lapidares Bekenntnis zu traditionellen Familien- und Geschlechterrollen. Es ist vielmehr der strategische Versuch, junge Menschen niedrigschwellig an AfD-Positionen heranzuführen. Im provokanten Politainmentstil bespielt die Partei auf den digitalen Plattformen unpolitisch anmutende Themen rund um die Probleme und persönlichen Unsicherheiten junger Männer.