Ausgabe Juli 1995

Von der Unfaßbarkeit des Sieges

Komplikationen im Prozeß der deutschen Einheit

Der deutschen Westrepublik war die Wiederherstellung der deutschen Staatseinheit, außer einer Herzensfreude, eine furchtbare Störung auf den gewohnten, durch die Induktions-Existenz der DDR seit 1949 sichergestellten Wegen. Sie hat ihr zu einem erheblichen Teil nur dadurch begegnen können, daß sie sich auf das politisch-rhetorische Niveau der 50er Jahre zurückschraubte, nach der Parole: Adenauer hatte doch recht. Das war, versteht sich, ein Akt der Regression.

Nachdem man sich mit der DDR vereinigt hatte, bekam man es mit der Angst zu tun; man glaubte, die Anerkennung dieses Landes zurücknehmen zu können, ja zurücknehmen zu müssen, und glaubte es um so mehr, als man mit dem Spielmaterial des fremden Landes alte Rechnungen im eigenen Feld begleichen zu können hoffte, mit Kräften, die einem lange genug auf die Nerven gegangen waren.

Bewußtseinsfallen

Das war ein Trugschluß, es war Wirklichkeitsflucht. Sie hatte mit Angst zu tun, aber das war nicht ihre einzige Dimension. Christel Zahlmann, die Kennerin des Westens, hat mir die Sache vor drei Jahren einmal sozialpsychologisch erklärt.

Juli 1995

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