Ausgabe Juni 1995

Das Raunen der Elite

Die Nacht der Regisseure sollte ein "Film zum hundertsten Geburtstag des Kinos" sein, in dem deutsche Filmemacher ihre Bilanz des ersten Jahrhunderts ziehen" (arte, 29.4.). Aber die "sensationelle Versammlung von Individualitäten", die Edgar Reitz uns vorstellt, ist künstlich montiert einzeln aufgenommene Statements wurden zusammengeschnitten und die übrigen zuhörenden, konzentriert ins Leere blickenden und mit dem Kopf nickenden Künstler per Trick eingeblendet. Das ganze spielt in einem fiktiven Kinosaal, auf dessen Leinwand ab und zu Ausschnitte aus Filmen laufen, und auf dessen Bühne einer ab und zu Klavier spielt. In diesem virtuellen Raum, weder Kulisse noch Studio, sondern ein Produkt des Bildmischers, war ein Gespräch nicht möglich, und vielleicht wäre es auch nicht zustande gekommen, hätten sie alle wirklich und gleichzeitig beieinandergesessen.

Das Arrangement vermittelte eine sterile, lächerliche Feierlichkeit, die exakt auf die narzißtischen, tiefsinnigen Banalitäten abgestimmt schien, die fast alle Beteiligten äußerten. Volker Schlöndorff bekennt, er könne ein deutsches Frauengesicht auf der Leinwand sofort als solches erkennen, und er bedaure es heute, nie mit Romy Schneider gearbeitet zu haben, "weil sie ihm zu deutsch war".

Juni 1995

Sie haben etwa 28% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 72% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Immer jünger, immer rechter: Teenager mit Baseballschlägern

von David Begrich

Ihre Haare sind kurz, gescheitelt und streng gekämmt. Sie zeigen den White Power- oder gar den Hitlergruß. Ist der Aufschwung der rechtsextremen Jugendszene wirklich etwas Neues – oder nur eine Fortsetzung neonazistischer Gewalt?

Maskulin und libertär

von Stefan Matern, Sascha Ruppert-Karakas

Echte Männer sind rechts“ – das auf Social Media viral gegangene Video des AfD-Politikers Maximilian Krah ist mehr als nur ein lapidares Bekenntnis zu traditionellen Familien- und Geschlechterrollen. Es ist vielmehr der strategische Versuch, junge Menschen niedrigschwellig an AfD-Positionen heranzuführen. Im provokanten Politainmentstil bespielt die Partei auf den digitalen Plattformen unpolitisch anmutende Themen rund um die Probleme und persönlichen Unsicherheiten junger Männer.