Jeder hat sein Bild von der DDR. Die festesten Überzeugungen haben die Westdeutschen: Sie vergaßen schon gleich nach dem Krieg, daß die russischen Besatzer an der Elbe standen, weil Deutschland einen verbrecherischen Krieg angefangen und verloren hatte und nicht etwa, weil die Bewohner der "Zone", der SBZ, sie gerufen hätten, um endlich kommunistisch regiert zu werden. Da die Westdeutschen - wie alle Deutschen - in eine lange antikommunistische Schule gegangen waren und zuletzt bei den Nazis gelernt hatten, mußten sie sich wenig Mühe geben, ihr Bild der SBZ und späteren Gänsefuß-DDR durch die Jahre zu erhalten; von keinem Lande wußten sie weniger als von dem, in dem die angeblich so geliebten Brüder und Schwestern wohnten.
Manche hatten später geglaubt, die Brandtsche Ostpolitik und die allmähliche Liberalisierung der DDR hätten das Zerrbild der Westdeutschen ein wenig zurechtgerückt als aber die Mauer aufging und sie vermeintlich mehr über die DDR erfuhren, da ging nach der ersten Heul-Begeisterung eine neue Kalte-Kriegs-Welle durch den goldenen Westen: "Vierzig Jahre SEDMißwirtschaft", "Unrechtsstaat" und "Stasi-Verbrecher" bestimmten den Ton, in dem die große und reiche BRD die kleinere und ärmere DDR arrogant, selbstgerecht und belehrend-besserwisserisch vereinnahmte und dabei erst einmal ihre Schnäppchen machte.