Ausgabe Mai 1995

Virtuelle Virtualität

"Ich bin Burkhard Driest, Sie kennen mich." Ja, das war doch der, mit dem in der Talkshow die Romy Schneider geflirtet hat. Das ganze Fernsehvolk fragte sich damals, was wohl nach der Sendung passiert ist. Jetzt durfte er (am 8.4. in der ARD) eine eigene Show machen, und nun soll alles in der Sendung passieren: "Geheimnisse darf's in meiner Show keine geben", denn "wer ehrlich sein will, muß die Hosen runterlassen". Na klar doch: Daß die Private Life Show eine Parodie sein sollte, haben viele Zuschauer (so die Analyse der Anrufe während der Sendung) nicht gemerkt. Sie verfolgten mit Spannung, wie sich zwei Kandidaten den Zumutungen eines rüden Showmasters fügten, weil sie viel Geld dafür kriegen sollten. "Heute abend startet eine neue Ära im Fernsehen, und damit im Bewußtsein der Menschen. Wir leben auf einem Planeten der Angst. (...) Es ist an der Zeit, daß wir die inneren Verstecke verlassen, um mit der Angst aufzuräumen" - mit dieser bombastischen Begründung wurde das sensationslüsterne Eindringen in die Privatsphäre legitimiert, und ein Wissenschaftler lieferte von Zeit zu Zeit eine Psychoanalyse des Spielstandes (dafür war wohl die im Abspann genannte Universität Kaiserslautern zuständig).

Mai 1995

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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