So etwas hat die ehrwürdige Alma Mater Heidelbergensia seit den militanten Nachwehen der Studentenbewegung nicht erlebt. Das Auditorium Maximum von Polizei abgeriegelt, strenge Einlaßkontrollen. Auch auf dem Podium, hinter dem Redner, auffallend diskret breitschultrige Herren - und dann Er, nach Jahren wieder in der Öffentlichkeit, obwohl die Veranstaltung aus Sicherheitsgründen nicht angekündigt war, der Saal gesammelt voll, denn vertrauenswürdige Persönlichkeiten waren natürlich diskret angesprochen worden. In der Woche darauf kann man im "Spiegel" lesen, was der Redner sich jetzt anschickt zu sagen. Wird er, der Verfolgung müde, einknicken? Nein, trotz Lebensgefahr spricht er es aus: "Zur Zeit ist es... der Tugendterror der political correctness, der freie Rede zum halsbrecherischen Risiko macht." 1)
Der Redner redet nicht von Fatwa oder Fundamentalismus. Es tönt auch kein englisches, sondern ein südwestdeutsches Idiom von der Bühne, denn da steht nicht Salman Rushdie, sondern Martin Walser. Und selbstverständlich trägt der deutsche Schriftsteller seinen Text "Über freie und unfreie Rede", lange vorher angekündigt, ohne Leibwächter und Polizeischutz in der Heidelberger Universität vor - als Dank für den mit 20 000 Mark dotierten Dolf-Sternberger-Preis.