Ausgabe September 1995

Haiti - ein Jahr nach der Intervention

Auf den ersten Blick sieht alles aus wie zu Zeiten der Duvaliers und von General Namphy: Kahle Berggerippe, die Flüsse braun vom fruchtbaren Boden, die Straßen aufgerissen und zerstört, voll mit Menschen, die einen Kleinsthandel treiben, Karren mit Kohlensäcken schleppen, Schuhe putzen oder einfach nur herumstehen und warten. Seit den 50er Jahren, seitdem man sich wissenschaftlich mit der karibischen Region befaßt, wird immer wieder das Ende Haitis beschrieben, die Katastrophe vorhergesagt.

Doch was bedeutet das? Ein Land kann nicht bankrott machen, geschlossen werden. 1986, als "Baby Doc" mit einigen Millionen ins Ausland ging, sprach man davon, daß Haiti jetzt seine letzte Chance zum Wiederaufbau bekommen würde.

Doch es kam noch schlimmer: Eine Reihe kleptokratischer Übergangsregierungen, der Putsch gegen die mit Hoffnungen überlastete legitime Regierung Aristide (1991), eine zerstörerische Militärregierung und vor allem das Wirtschaftsembargo. "Continuing Haiti" - so bezeichnete Dawn Marshall 1979 in einer Studie den Zustand des Landes. Jeder Wandel scheint nur zu bestätigen, daß sich nichts ändert: "Plus ?a change, plus c'est la m?me chose" war 1994 der Titel eines Vortrags von LéonFran?ois Hoffmann über Haiti.

September 1995

Sie haben etwa 12% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 88% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Vom Proletariat zum Pöbel: Das neue reaktionäre Subjekt

von Micha Brumlik

Gewiss, es waren keineswegs nur Mitglieder der US-amerikanischen weißen Arbeiterklasse, die Donald Trump an die Macht gebracht haben. Und doch waren es auch und nicht zuletzt eben jene Arbeiter und Arbeitslosen – und genau hier liegt das eigentliche Erschrecken für die Linke.