Rezession herrscht dann, wenn der Nachbar arbeitslos ist, Depression, wenn es einen selbst betrifft. So lautet ein politisches Bonmot in den Vereinigten Staaten. Hierzulande avancierte 1993 ein Kanzlerwort zur Eintrittskarte in die Diskussion über den Standort Deutschland: "Immer kürzere Arbeitszeiten bei steigenden Lohnkosten, immer mehr Urlaub... Meine Damen und Herren, wir können die Zukunft nicht dadurch sichern, daß wir unser Land als einen kollektiven Freizeitpark organisieren." Mit einem Anteil von 10% blieb Deutschland zwar auch 1995 zweitgrößter Exporteur der Welt - der Abstand zum Dritten der Weltrangliste Japan vergrößerte sich sogar leicht. Und die Sozialleistungsquote in Westdeutschland wurde seit der Regierungsübernahme der christlich-liberalen Koalition 1982 bereits von 33,4% auf 30,2% (1994) gesenkt.
Trotzdem werden die angeblich zu kurzen Arbeitszeiten und die Kosten des Sozialstaats für die wachsende Massenarbeitslosigkeit verantwortlich gemacht. "Mehr Flexibilität bei Löhnen und Arbeitszeiten" - ein ideologischer Dauerbrenner. Inzwischen hat sich ein Deregulierungsfanatismus entwickelt, der auch die "Süddeutsche Zeitung" zum Seufzer veranlaßte (28.12.1995): "Flexibel geht die Welt zugrunde".