Ausgabe Januar 1996

Clintons Stunde

Wenn Fernsehbilder so viel Macht besäßen, wie einige Paranoiker glauben, hätten im Laufe der vergangenen drei Jahre viele Amerikaner lautstark für ein Eingreifen in Bosnien plädieren müssen, auch wenn andere davor warnten, daß wir uns weder an Gebirge noch an Sümpfe heranwagen.

Aber all diese grausamen Bilder haben weniger bewirkt als rund tausend richtig gewählte Worte des amerikanischen Präsidenten. Die über die Mattscheibe flimmernden Schlächtereien und die Schilderungen von Vergewaltigungen schienen die allseits leichtfertig benutzten Worthülsen wie: "jahrhundertealter Konflikt", "uralter Haß unter den ethnischen Gruppen" etc. ja regelrecht zu bestätigen. Und so waren Amerikaner, die es häufig gar nicht so genau wissen wollen und z.B. auch glauben, daß bereits 25% des US-Haushalts für Auslandshilfe ausgegeben werden und dieser Prozentsatz auf 5% gesenkt werden sollte - während der wirkliche Satz 1% beträgt -, bereit, die Bosnier in ihrem eigenen Blut schmoren zu lassen. Paradoxerweise wollten die Amerikaner bisher auch nicht wissen, wieviel Geld sie tagtäglich für die Bereitschaft zahlen, einen Krieg in Europa und gleichzeitig anderswo noch einen zweiten führen zu können.

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