Die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen 1995 in Polen sind aus vielerlei Gründen bemerkenswert. Vor allem wegen der Niederlage von Lech Walesa, dem legendären Symbol der Solidarnosc. Diese Wahlen haben aber auch andere Mythen gestürzt. Zum Verlauf: Die Wahlordnung war sehr liberal. Praktisch konnte fast jeder polnische Bürger über 35 Jahren, der mindestens 100 000 Unterschriften zur Unterstützung seiner Kandidatur der Wahlkommission vorlegte, als Präsidentschaftskandidat registriert werden. Dies erklärt die sehr hohe Anzahl zugelassener Kandidaten. Von den 19 Bewerbern haben sich zwei kurz vor dem ersten Wahlgang zurückgezogen, als klar wurde, daß sie keine Chancen haben. Unter den verbliebenen 17 befanden sich neben bekannten politischen und öffentlichen Persönlichkeiten auch ganz exotische Figuren, die sich selbst oder ihre Waren propagieren wollten. (Sie erhielten im ersten Wahlgang zwischen 0,04 und 1,3% der Stimmen.) Die rechtsorientierten Post-Solidarnosc-Parteien (es gibt deren ein Dutzend oder mehr) waren nicht imstande, einen gemeinsamen Kandidaten aufzustellen.
Zwar waren alle der Meinung, daß nur ein gemeinsamer Kandidat der Rechten Kwasniewski besiegen könne, aber jeder der Vorsitzenden dieser Parteien war überzeugt, daß eben er dazu der geeignetste sei. Die Gespräche darüber, u.a. mit Hilfe der katholischen Kirche geführt, brachten allesamt nichts.