Ausgabe Mai 1996

Dayton: Kein Blanko-Scheck für Europa

Keiner derjenigen, die mit Bosnien befaßt sind, scheint gewillt zu sein, konstruktiv darüber nachzudenken, was im Dezember geschehen soll, wenn die Vereinigten Staaten gehen. Nur noch acht Monate verbleiben. Die NATO-Botschafter haben sich fürs erste darauf verständigt, die Sache nicht öffentlich zu diskutieren, weil die Verbündeten übel zerstritten sind. Es gibt vertrauliche Diskussionen über eine Nachfolgetruppe, doch die Haltung der meisten europäischen Regierungen scheint zu sein, daß die Vereinigten Staaten nicht gehen "können". Sie können. Amerikas politisches Engagement endet nicht im Dezember, aber die US-Truppen werden Bosnien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fahrplangemäß verlassen. Und wenn bis Dezember kein wirklicher politischer Fortschritt zu verzeichnen ist, könnten auch Washingtons politische Verpflichtungen ausgesetzt werden.

In Dayton gab es einen Punkt, an welchem die amerikanische Delegation den Bosniern, Serben und Kroaten eröffnete, wenn sie unfähig zu einer Übereinkunft wären, dann seien die USA willens, auf der Stelle ihr Engagement zu beenden und es ihnen zu überlassen, ihren eigenen Weg aus ihrem Krieg zu finden. Amerika könnte diese Position erneut beziehen.

Mai 1996

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