Ausgabe Oktober 1996

Clinton verdient einen New Deal

"Sie haben recht", pflegte Präsident Franklin Roosevelt seinen liberalen Verbündeten zu sagen, wenn sie ihn um Unterstützung für ihre Gesetzesvorhaben baten. "Nun lassen Sie mich es auch tun." Roosevelt drängte die fortschrittlichen Kräfte der DepressionsÄra, zu einem politischen Klima beizutragen, das den Kongreß nötigen würde, den New-Deal-Programmen zuzustimmen: der Sozialversicherung, der Bundesbehörde für Arbeitsbeschaffungsprogramme (WPA), dem Wagner-Gesetz zur Regelung der Beziehungen zwischen Unternehmern und Gewerkschaften, dem zivilen Arbeitsdienst, dem Wohngeld und anderen Maßnahmen, die viele Amerikaner damals für höchst radikal, ja sogar für sozialistisch hielten. Die Liberalen und Linken von heute sollten Roosevelts Rat annehmen. Anstatt sich nur darüber zu beschweren, daß Clinton sich zu weit in die Mitte bewegt oder sich an konservative Kräfte verkauft habe, müssen die fortschrittlichen Kräfte von heute es Clinton leichter machen, sein ursprünglich liberales Programm auch durchzuführen. Das würde bedeuten, daß sie ihre politische Energie auf den Kongreß konzentrieren, und zwar nicht nur, um im November eine Demokratische Mehrheit zu erreichen, sondern auch um wieder eine progressive Koalition aufzubauen, die das Land in das nächste Jahrhundert führen kann.

Oktober 1996

Sie haben etwa 14% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 86% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Flucht vor der Verantwortung: Lieferkettengesetze am Ende?

von Merle Groneweg

Der 11. September erinnert nicht nur an den Einsturz des World Trade Centers in New York, sondern auch an eine der schwersten Katastrophen in der Textilindustrie: den Brand in der Fabrik Ali Enterprises in Karatschi, Pakistan.

Ohne EU-Mindestlohn kein soziales Europa

von Roland Erne

Nach Jahren antisozialer Politik infolge der Finanzkrise von 2008 standen soziale Fragen in der vergangenen Legislatur der EU wieder weiter oben auf der Agenda. Zwischen 2022 und 2024 verabschiedeten das EU-Parlament und der Rat seit langem wieder mehrere soziale EU-Gesetze, darunter die Richtlinie über „angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union“.

Drei Millionen ohne Abschluss: Was tun?

von Maike Rademaker

Die Zahl war lediglich einen Tag lang einige Schlagzeilen wert: Rund 2,9 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren hierzulande haben keinen Berufsabschluss. Maike Rademaker analysiert Gründe und Lösungsansätze.