Ausgabe Oktober 1996

Die Lateinamerikanisierung Deutschlands

Ein postmodernes Szenario

"Steuerland ist abgebrannt!" Slogan vor der Bonner FDP-Zentrale, Anfang 1996 Die von Wirtschaftseliten, Sprechern der Arbeitgeberverbände, von BDI und DIHT ebenso wie von katastrophensüchtigen Intellektuellen als unausweichlich verbreitete Vision von Globalisierung 1) kann nur abgrundtiefe Angst und Depressivität auslösen. "In längerfristiger Perspektive wird ein Arbeitsloser in Hamburg nicht wesentlich anders leben als ein Arbeitsloser in Kiew, Sao Paulo oder Singapur. Globalisierung bedeutet also ein Ende des nationalen Sozialismus der alten Industrieländer", so Rolf-Peter Sieferle in seinem Buch "Epochenwechsel - die Deutschen an der Schwelle zum 21. Jahrhundert" 2)

Und Johannes Willms, Feuilletonchef der "Süddeutschen Zeitung", orakelt: "Die Globalisierung ist der große Mahlstrom, der die Gewißheiten einer sozial gezähmten Industriegesellschaft, ja die gesamte traditionelle bürgerliche, von Wohlstand und Daseinsvorsorge geprägte Welt verschlingen wird." 3) Neben den Wettbewerb auf den Märkten für Güter und Dienstleistungen tritt die Konkurrenz von Regierungen und Regionen um Investoren, wobei in mühsamen Verhandlungen dem jeweils einzelnen Investor zugestanden wird, was allgemein nicht finanzierbar ist. Dabei sind auch bei einer Null-Steuer auf Kapital und Gewinn die Verhandlungsspielräume keineswegs ausgereizt.

Oktober 1996

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