Ausgabe August 1997

Kalkulierte Nebenwirkung

Es sei "mit Sicherheit der Höhepunkt des Fernsehjahres", kündigte der stern an, und die Frankfurter Rundschau fand, dies sei "Fernsehen auf der höchstmöglichen Qualitätsstufe". Gemeint ist Heinrich Breloers zweiteiliger Fernsehfilm Todesspiel (ARD, 24. und 25.6.1997) über den deutschen Herbst 1977, ein dokumentarisches Fernsehspiel. Diese Spielform besteht in dem Versuch, die beiden Grundfunktionen des Fernsehmediums, Information und Unterhaltung, eng miteinander zu verknüpfen, die Fiktion in den Dienst der Fakten zu stellen, zwecks Aufklärung über einen politischen Vorfall oder gesellschaftliche Zustände. Es gehört zu den Grundkonventionen des Doku-Dramas, daß die gespielten Figuren dokumentarisch belegbare Aussagen machen, daß dieser Authentizität eine eher sachliche dramaturgische Gestaltung entspricht, und daß die Aufklärungsfunktion Vorrang hat vor dem dramatischen Element.

In diesem Film sind die Gewichte umgekehrt verteilt. Er beginnt wie ein Thriller (und folgt ähnlichen Mustern bis zum Schluß): Arbeitgeberpräsident Schleyer steigt aus seinem Privatjet und fährt im Auto nach Hause. In Parallelmontage dazwischengeschnitten werden die Vorbereitungen der RAF zu seiner Entführung. Wir sehen (nachinszeniert), was die Tagesschau damals nicht zeigen konnte, und wissen, was danach passiert ist (im Film passieren wird).

August 1997

Sie haben etwa 33% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 67% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Immer jünger, immer rechter: Teenager mit Baseballschlägern

von David Begrich

Ihre Haare sind kurz, gescheitelt und streng gekämmt. Sie zeigen den White Power- oder gar den Hitlergruß. Ist der Aufschwung der rechtsextremen Jugendszene wirklich etwas Neues – oder nur eine Fortsetzung neonazistischer Gewalt?

Maskulin und libertär

von Stefan Matern, Sascha Ruppert-Karakas

Echte Männer sind rechts“ – das auf Social Media viral gegangene Video des AfD-Politikers Maximilian Krah ist mehr als nur ein lapidares Bekenntnis zu traditionellen Familien- und Geschlechterrollen. Es ist vielmehr der strategische Versuch, junge Menschen niedrigschwellig an AfD-Positionen heranzuführen. Im provokanten Politainmentstil bespielt die Partei auf den digitalen Plattformen unpolitisch anmutende Themen rund um die Probleme und persönlichen Unsicherheiten junger Männer.