Kohl streitet mit Stoiber. Der DGB-Chef rügt die Sozialdemokraten. Der BDI-Boß schimpft über die bürgerliche Regierung. Sudetendeutsche Landsmannschaftler hadern mit dem bayrischen CSU-Ministerpäsidenten. Umweltschützer ärgern sich über die Grünen. Mittelständler sind sauer auf die FDP. Und gläubige Katholiken fühlen sich schon seit langem unwohl in der unionsregierten Republik. Alte gesellschaftliche Verflechtungen zerbröseln; die traditionellen Lager scheinen zu erodieren. Vielen gefällt das. Einige erhoffen sich vom Zerfall der überkommenen Milieus die Neuformierung innovativer und kreativer Allianzen, politisch gleichsam das Modernisierungsbündnis von Gerhard Schröder, Oswald Metzger und Guido Westerwelle. Oder zumindest ein schwarz-grünes Experiment. Jedenfalls irgendetwas, was den bundesdeutschen Beharrungskonsens der traditionellen parteipolitischen Großformationen und Lager aufsprengen mag.
Gewiß, ganz unverständlich sind solche Szenarien nicht. Der Frust über die verkrusteten und blockierten Strukturen ist weit verbreitet und die Lust auf post-moderne Abwechslung zumindest bei den Kommunikatoren in den Medien wohlfeil. Das leuchtet zwar ein, aber es ist auch ein bißchen komplexer: Die alten Lager waren so schlecht nun doch nicht; und die postmoderne Zukunft birgt nicht nur erfreulich pittoreske Seiten.