Die deutsch-amerikanischen Beziehungen sind gut, besser, am besten. Deutsche Politiker und Diplomaten betonen es, vor allem seit der Zeitenwende von 1989, derart inbrünstig, daß man mißtrauisch werden darf. Das nordatlantische Militärbündnis, das nebenbei eine politische Wertegemeinschaft war, steht heute in einem völlig veränderten geopolitischen und vor allem geoökonomischen Kontext. Politiker der Kriegs- und Flakhelfer-Generation wie Bush und Kohl haben sich noch als partners in leadership gesehen, und ältere Kulturkämpfer wie Samuel Huntington pochen auf Gemeinsamkeiten der westlichen Zivilisation gegenüber dem Islam und sog. "asiatischen Werten" . Der nachwachsenden Generation von Entscheidungsträgern in Washington, erst recht in Seattle oder Atlanta, ist die Ende der 40er Jahre geschlagene Atlantikbrücke Anathema. Jüngste US-Besuche deutscher Spitzenpolitiker wie des Bundespräsidenten Roman Herzog und des Kanzlerkandidaten in spe Gerhard Schröder sind bloß Phototermine für die deutsche Presse. Die amerikanische Öffentlichkeit nimmt davon genausowenig Notiz wie die Eliten, für die die einstigen Musterschüler der westlichen Allianz derzeit kaum mehr sind als Fußtruppen im amerikanisch geführten Marsch in die Globalökonomie.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.