Seit einem Jahr können die Bayern mit lokalen Volksabstimmungen direkt in die Kommunalpolitik eingreifen. Über 320 Bürgerbegehren wurden gestartet - bei ca. 2000 Gemeinden und Kreisen. (Beim Bürgerbegehren müssen je nach Gemeindegröße zwischen 3 und 10% der Stimmberechtigten unterschreiben, damit ein Bürgerentscheid stattfindet). Soviel Bürgerentscheide wie in Bayern gibt es in keinem anderen Bundesland. Während hier - statistisch gesehen - pro Gemeinde alle 20 Jahre ein solcher stattfindet, bedürfte es in Hessen einer Zeit von 40 Jahren; und in Baden-Württemberg würden sogar 200 Jahre vergehen. In kürzester Zeit hat sich der Freistaat in dieser Hinsicht zum Musterländle entwickelt, ist Lokomotive in Sachen direkter Demokratie geworden. Wer hätte es gedacht? Am 1. Oktober 1995 beschlossen die bayerischen Bürgerinnen und Bürger in einer landesweiten Volksabstimmung das Recht auf Bürgerentscheid in den Gemeinden und Landkreisen. Mit fast 60% wurde der Gesetzentwurf der Bürgeraktion "Mehr Demokratie" angenommen. Das bedeutete auch: Erstmals nach 40 Jahren steckte die CSU eine landesweite Niederlage ein. Damit es zu dieser Volksabstimmung überhaupt kommen konnte, mußte sich zuerst innerhalb von zwei Wochen jeder zehnte Stimmberechtigte in sein Rathaus begeben und das Volksbegehren unterschreiben.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.