Ausgabe Mai 1997

Deutsch-iranische Nagelprobe

Das Berliner Kammergericht hat gesprochen: Irans Führung ist verantwortlich für die am 17. September 1992 an vier kurdisch-iranischen Oppositionellen begangenen Morde. Mit "Angst", so der "Spiegel", hatte man das Urteil erwartet, denn Sicherheitsexperten warnten vor Terroranschlägen, Geiselnahmen und anderen "Gegenmaßnahmen" des Mullah-Regimes, falls das deutsche Gericht iranische Regierungsmitglieder tatsächlich des Staatsterrorismus bezichtigen sollte. Von Beginn an begleiteten eine Vielzahl bürokratischer Verschleppungen und Einmischungen den Prozeßverlauf. 1) Die Justiz stand unter enormen Druck, wobei die Palette von persönlichen Drohungen iranischer Geistlicher gegen Richter und Bundesanwälte bis hin zu - wie es der frühere Generalbundesanwalt Alexander von Stahl nannte - von deutschen Behörden verordneter "Leisetreterei" reichte.

Um so beachtlicher ist die Klarheit und Eindeutigkeit des Urteilsspruchs. Das Gericht unter Vorsitz von Richter Frithjof Kubsch leistete ganze Arbeit: Ein sogenanntes "Komitee für Sonderaufgaben", dem so hochgestellte Persönlichkeiten wie Staatspräsident Haschemi Rafsandschani, Außenminister Ali Akbar Welajati, der religiöse Führer Ali Chamenei sowie der in Deutschland mit Haftbefehl gesuchte Geheimdienstminister Ali Fallahian angehören, habe den Mordbefehl erteilt.

Mai 1997

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