Mehr als fünf Jahre ist es her, daß die Algerierinnen und Algerier zum erster Mal an demokratischen Wahlen teilnehmen durften. Da sie sich damals mehrheitlich für die "Falschen", d.h. die islamistisch orientierte Front Islamique du Salut (FIS) entschieden, wurde die Wahl vom Militär annulliert, der zweite Wahlgang abgesagt, am 12. Februar 1992 der Ausnahmezustand verhängt und einen Monat später die FIS verboten. Seitdem befindet sich das Land im Bürgerkrieg, der nach Angaben aus internationalen Quellen mehr als 80 000 Todesopfer forderte, nach algerischen Quellen sind es mehr als doppelt so viele. Hinzu kommen Tausende von Gefolterten und "Verschwundenen" 1) Als die Militärs intervenierten, taten sie dies unter dem Motto "Keine Demokratie für die Feinde der Demokratie!", für deren Hüter sich die algerischen Streitkräfte offensichtlich halten. Tatsächlich bildet die Armee seit Erlangen der Unabhängigkeit die Quelle der Macht des algerischen Staates. Dessen Legitimität stützt sich auf die bewaffnete Aktion. Der Primat der Militärs erklärt sich aus der historischen Entwicklung. Innerhalb der Unabhängigkeitsbewegung gelang es den auf militärische Aktionen bedachten Kräften, die Oberhand zu gewinnen.
In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.