Ausgabe September 1997

Die Normalität des Stillstands

Politikstillstand - Politikblockade! Alles stöhnt und jammert. Nichts geht mehr. Der Bundespräsident fordert, es müsse ein Ruck durchs Land gehen. Der Kanzler droht mit vierzehn Monaten permanentem Wahlkampf. Der BDI-Präsident will Verfassung und Wahlrecht ändern, er stellt den jetzigen Föderalismus in Frage und will das Mehrheitswahlrecht einführen. Die Elefantenrunden der Parteivorsitzenden sind im Frühsommer nicht zu Potte gekommen, als über die "große Steuerreform" beraten wurde. Der Vermittlungsausschuß tagt zur gleichen Problematik - vergebens. Man geht in die nächste Vermittlungsrunde. "Die Republik ist erstarrt, ihre Strukturen sind verkrustet, die Parteien zu Machtapparaten verkommen. Einflußreiche Interessengruppen verhindern jede Reform oder verwässern sie ... bis zur Unkenntlichkeit", so das harsche Urteil des "Spiegel" (32/1997, S. 63).

Reformbedarf, Reformdruck - und doch scheitern alle Reformprojekte: große Steuerreform, Rentenreform, Gesundheitsreform. Von Bildungsreform spricht und schreibt schon keiner mehr, obwohl sie doch bitter nötig wäre.

September 1997

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