Mit ihrem Sieg bei den indischen Parlamentswahlen hat die hindunationalistische Bharatiya Janata Party (BJP) den vorläufigen Höhepunkt ihres erstaunlichen Aufstieges zur stärksten politischen Kraft erreicht. Sie regiert heute in sieben von 26 Bundesstaaten, stellt nun schon zum zweiten Mal die größte Fraktion im indischen Unterhaus und mit großer Wahrscheinlichkeit auch den zukünftigen Premierminister. Spitzenkandidat der BJP war der charismatische A.B. Vajpayce. Er gilt als Gemäßigter und wird über die Parteigrenzen hinaus respektiert. Groß aber ist die Angst, daß Vajpayce nur die Maske ist, hinter der sich die Fratze eines aggressiven Hindutums verbirgt, das Indien in seinen Grundfesten zu erschüttern droht. Unvergessen bleibt der 6. Dezember 1992, als Tausende fanatisierter Hindus, aufgehetzt von jahrelanger Propaganda der Hindunationalisten, die Babri-Moschee im nordindischen Ayodhya stürmten und dem Erdboden gleichmachten, um an ihrer statt einen Tempel für den mythischen Gottkönig Ram zu erbauen. Die Welle der Gewalt, die dadurch ausgelöst wurde, gehört zu den dunkelsten Kapiteln des modernen Indien.
In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.