Wie wahlkampftauglich ist die Steuerreformdebatte?
"Ich bin nicht der Arbeitgeber der Nation" verteidigte sich Helmut Kohl, nach der Halbierung der Massenarbeitslosigkeit gefragt, im niedersächsischen Landtagswahlkampf. Schuld seien die Sozialdemokraten, denn sie hätten die Steuerreform blockiert.
So richtig gezogen hat dieses Argument bekanntermaßen nicht. Was keineswegs bedeutet, daß die Bonner Koalitionsparteien auf diesen Vorwurf im Bundestagswahlkampf verzichten werden. "Haltet den Dieb!" Nach dieser Methode wird die "Erosion des Steuerstaats" beklagt und mit dem Finger auf die Opposition gezeigt.
Doch es war die Regierung selbst, die in den vergangenen fünfzehn Jahren das Steuerrecht an vielen Punkten entscheidend verändert hat. Ging es zunächst um die Durchsetzung einer angebotsorientierten Steuerpolitik nach amerikanischem Vorbild - die deutsche Variante der Reaganomics -, so steckt die Koalition seit der Vereinigung in dem Dilemma, Steuern senken zu wollen, aber mehr Geld zu brauchen. Zugleich wurden ihr wichtige Reformen durch die Judikative vorgeschrieben: Die Kinderfreibeträge im Familienlastenausgleich und die steuerliche Freistellungsgrenze des Existenzminimums mußten aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erhöht werden. Allein seit 1990 kam es so zu mehr als einem Dutzend Steuerrechtsänderungen.