In jüngster Zeit ist sie bedenklich angeschwollen - die Klage über den Zustand unserer Republik. Und ein ums andere Mal kehrt man auf das große Ärgernis zurück: daß wir in einer blockierten Gesellschaft leben, deren Akteure nicht mehr imstande sind, existentielle Reformen durchzusetzen. Einig sind sich darin Politiker fast aller Couleur (wiewohl sie natürlich darüber streiten, wessen Partei "verantwortlich" sei). Zustimmen können dem vernichtenden Urteil die Wortführer der Industrie, deren Investitionsfreude durch resistente "Errungenschaften" gebremst wird. In den Chor fallen schreibende Zeitgenossen mit ein, jene, die das Ohr dicht am Ort des Geschehens haben und Tag für Tag mißratene Initiativen oder kassierte Pläne kommentieren müssen; aber auch solche mit Sitz im Elfenbeinturm, deren privilegierter Blick aufs Ganze und Wahre erkennen muß, daß davon wohl nichts Wirklichkeit wird. Durch die Klagen schimmert das Bild einer heilen Welt, in der Politik etwas Ernstes ist und Republik eben "res publica", eine öffentliche Angelegenheit, deren Schicksal alle Bürger angeht und von besonders befugten besorgt wird - an verbindlichen Zielen ausgerichtet, von energischem Willen getragen, als eine konzentrierte Veranstaltung.
In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn.