Das Völkerrecht als Opfer seiner eigenen Widersprüche
Im Falle Kosovo, wie auch anderswo, wird das Völkerrecht zum Opfer seiner eigenen Widersprüche. Auf der einen Seite stehen die Menschenrechte, die – dem Völkerrecht nach (UNO-Charta, Menschenrechtserklärung, Genozidkonvention) – zu achten sind. Auf der anderen Seite: das Nichteinmischungsgebot, ja auch das Gewaltverbot der UNO-Charta. Schon dieser Widerspruch bedeutet, daß es für bestimmte, gerade auch gravierende internationale Probleme keine eindeutigen Antworten im Völkerrecht gibt.
Darüber hinaus, und besonders auch im Rahmen der UNO, steht das Völkerrecht vor einem fundamentaleren Dilemma: seine Durchsetzung ist auch von der Zustimmung solcher Staaten abhängig, die weder Menschenrechte noch Demokratie respektieren. Diese Widersprüche des Völkerrechts bedeuten, daß die eigenen Interessen – ob humanitäre, strategische, oder sonstige – sowie die Interessen der engsten Partner weiterhin wichtigste Basis der Entscheidungsfindung für Staaten wie Deutschland sein müssen – gerade auch in Krisenfällen wie Kosovo.
Natürlich muß man darüber nachdenken, ob man Präzedenzfälle schafft, die andere Staaten dazu veranlassen könnten, das Völkerrecht so zu interpretieren, daß jeder Angriff erlaubt wäre. Hier muß man jedoch den einen Präzedenzfall gegen den anderen abwägen.