Wer im Glashaus sitzt ...
Mit der Verlautbarung der indischen Regierung am 11. Mai 1998, Indien habe durch drei Atomtests „die Fähigkeit für ein Nuklearwaffenprogramm nachgewiesen“, ist die westliche Nichtverbreitungs-Politik unter der Führung der USA gescheitert. Mehr als vierzig Jahre lang hatte der Westen versucht, Nichtkernwaffenstaaten durch eine Mischung aus diplomatischen, ökonomischen und militärischen Anreizen und Drohungen davon abzuhalten, selber Atomwaffen zu entwickeln, zu produzieren oder zu stationieren. Die sechs pakistanischen Tests am 28. und 30. Mai machten noch deutlicher, daß das überragende Ziel dieser Politik, nämlich die Entstehung neuer Nuklearmächte über den Kreis der fünf unter dem nuklearen Nichtverbreitungs-Vertrag (NPT) anerkannten Mächte hinaus zu verhindern, nicht erreicht worden ist. Fast 30 Jahre nachdem der NPT zur Unterschrift ausgelegt wurde, stellen die Entscheidungen Indiens und Pakistans, sich selber zu Mitgliedern des nuklearen Clubs zu machen, die bisher größte Herausforderung für das nukleare Nichtverbreitungs-Regime dar.
In diesem Regime wurde die Existenz der drei nuklearen Schwellenmächte Indien, Israel und Pakistan nur deshalb stillschweigend toleriert, weil diese Staaten nicht dem NPT angehörten und darauf verzichteten, als Kernwaffenstaaten anerkannt zu werden.