Das dürfte es eigentlich nicht geben: Zunächst in Frankreich, jetzt auch in der Bundesrepublik, stehen Arbeitslose auf, um ihre Rechte einzufordern - kämpfen für ein Recht auf Arbeit, eine hinreichende materielle Absicherung, nicht zuletzt aber für die Rückgewinnung ihrer Würde. Hatte nicht der main stream der Sozialwissenschaften die Erwerbslosen pauschal zu apathischen, resignierten und dauerhaft marginalisierten Opfern der Arbeitsmarktkrise und damit als unfähig zu sozialer oder politischer Bewegung abgestempelt? Hatten nicht interessierte Kreise den Betroffenen die Schuld an der Unterbeschäftigung zugewiesen? Eine solche Personengruppe galt, einer verbreiteter Auffassung zufolge, jedenfalls als unfähig, Subjekt der eigenen Interessen zu sein. Während in Deutschland die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik nach wie vor von neoliberalen Ansätzen bestimmt wird, regiert im westlichen Nachbarland bekanntlich eine Linkskoalition unter Einschluß von Linkssozialisten und Kommunisten. Daß diese Regierung auch mit den Stimmen Arbeitsloser ins Amt gekommen ist, kann nach den Resultaten der Wahlforschung ebenso angenommen werden wie die Offenheit einer solchen Administration für die Forderungen Arbeitsloser.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.