Ausgabe August 2000

Einwanderung à la carte

Da haben wir also den einwanderungspolitischen Farbensalat. Nach der Green Card jetzt die Blue Card. Blau wie bayerisch, blau wie CSU. Nachdem Gerhard Schröder für IT-Spezialisten eine Ausnahmeverordnung vom seit 1973 gültigen Anwerbestop vorgeschlagen hatte, fordert der bisher nicht gerade einer liberalen Ausländerpolitik verdächtige bayerische Innenminister Günther Beckstein selbiges für Wissenschaftler und Experten weiterer Fachgebiete. Hinter der neuen Farbenlehre verbirgt sich allerdings mehr. Die vielleicht am stärksten ideologisierte Front im Lande ist brüchig geworden, die Republik am zentralen Punkt ihrer Identität betroffen - an der Demarkationslinie zwischen links und rechts. Es geht um die alte Debatte: Sind wir ein Einwanderungsland oder nicht? Genauer: Wollen wir es sein? Die bundesrepublikanische Scheidemarke zwischen links und rechts war in dieser Sache eindeutig: Links stand für Einwanderung, rechts war dagegen. Links plädierte lange Zeit für offene Grenzen, rechts hielt man das Boot für voll. Links votierte für die multikulturelle Gesellschaft, rechts fürchtete den Untergang des Deutschtums und des christlichen Abendlandes dazu. Bis in die Semantik schlug das Ideologische durch. Wer den Zuzug ausländischer Bürger auf Dauer anlegen wollte, sprach von Einwanderung.

Sie haben etwa 13% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 87% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Flucht vor der Verantwortung: Lieferkettengesetze am Ende?

von Merle Groneweg

Der 11. September erinnert nicht nur an den Einsturz des World Trade Centers in New York, sondern auch an eine der schwersten Katastrophen in der Textilindustrie: den Brand in der Fabrik Ali Enterprises in Karatschi, Pakistan.

Ohne EU-Mindestlohn kein soziales Europa

von Roland Erne

Nach Jahren antisozialer Politik infolge der Finanzkrise von 2008 standen soziale Fragen in der vergangenen Legislatur der EU wieder weiter oben auf der Agenda. Zwischen 2022 und 2024 verabschiedeten das EU-Parlament und der Rat seit langem wieder mehrere soziale EU-Gesetze, darunter die Richtlinie über „angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union“.

Drei Millionen ohne Abschluss: Was tun?

von Maike Rademaker

Die Zahl war lediglich einen Tag lang einige Schlagzeilen wert: Rund 2,9 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren hierzulande haben keinen Berufsabschluss. Maike Rademaker analysiert Gründe und Lösungsansätze.