Da haben wir also den einwanderungspolitischen Farbensalat. Nach der Green Card jetzt die Blue Card. Blau wie bayerisch, blau wie CSU. Nachdem Gerhard Schröder für IT-Spezialisten eine Ausnahmeverordnung vom seit 1973 gültigen Anwerbestop vorgeschlagen hatte, fordert der bisher nicht gerade einer liberalen Ausländerpolitik verdächtige bayerische Innenminister Günther Beckstein selbiges für Wissenschaftler und Experten weiterer Fachgebiete. Hinter der neuen Farbenlehre verbirgt sich allerdings mehr. Die vielleicht am stärksten ideologisierte Front im Lande ist brüchig geworden, die Republik am zentralen Punkt ihrer Identität betroffen - an der Demarkationslinie zwischen links und rechts. Es geht um die alte Debatte: Sind wir ein Einwanderungsland oder nicht? Genauer: Wollen wir es sein? Die bundesrepublikanische Scheidemarke zwischen links und rechts war in dieser Sache eindeutig: Links stand für Einwanderung, rechts war dagegen. Links plädierte lange Zeit für offene Grenzen, rechts hielt man das Boot für voll. Links votierte für die multikulturelle Gesellschaft, rechts fürchtete den Untergang des Deutschtums und des christlichen Abendlandes dazu. Bis in die Semantik schlug das Ideologische durch. Wer den Zuzug ausländischer Bürger auf Dauer anlegen wollte, sprach von Einwanderung.
In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.