Ausgabe Januar 2000

Lehren aus Seattle

Am Ende gab es keinen Konsens für den Start der neunten multilateralen Verhandlungsrunde. Minister der 135 Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) rangen Anfang Dezember in Seattle bis zuletzt vergeblich um eine Agenda für Handelsgespräche. Weitere Gespräche sind für das kommende Jahr in Genf angesetzt. Ob sie zu Ergebnissen führen, steht in den Sternen. Drei strukturelle Entwicklungen haben die Dynamik internationaler Handelsgespräche in den letzten Jahren verändert und erschweren eine internationale Einigung. Erstens, die Erweiterung der handelspolitischen Agenda um nicht-handelspolitische Themen wie Umwelt und Arbeit; zweitens, die kritische Öffentlichkeit, die Handelspolitik verfolgt, und die Beteiligung der Zivilgesellschaft; drittens, die Rolle der Entwicklungsländer. Internationale Handelspolitik ist keine in sich geschlossene Disziplin mehr, sondern wird zu Beginn des 21. Jahrhunderts als mehrdimensionales Politikfeld diskutiert.

Sie erhält dadurch eine neue Brisanz, neue Interessenkoalitionen und Konfliktlinien. Konsens fällt zunehmend schwerer. Themen wie Umwelt- und Arbeitsstandards, Biotechnologie, Menschenrechte, Gesundheitsstandards, Investitions- und Wettbewerbsregeln standen in Seattle gleichrangig mit Zöllen auf der Tagesordnung. Die WTO selbst ist für diese Entwicklung verantwortlich.

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