Ausgabe Juni 2000

Irrwege der Ökonomen

Zu den merk-würdigeren Events der Jahrhundertwende gehörte eine Zusammenkunft der American Economic Association (AEA), die vom 7 bis 9. Januar in Boston stattfand. Im Zentrum ihres Millenniumsprogramms standen weltpolitische Probleme, insbesondere Finanzkrisen (wie die asiatische) und das Scheitern der sogenannten wirtschaftlichen Transformation (in Rußland beispielsweise). So demonstrativ Veranstalter und Teilnehmer ihre Relevanz herausstrichen, so sehr sprang doch ins Auge, das irgend etwas nicht stimmte. Unter den anwesenden Wissenschaftlern fand sich kaum einer, von dem man jemals Kritik an jenen Institutionen gehört hatte, die uns die Asienkrise und die mißlungene Transformation bescherten. Statt dessen dominierten - Sitzung für Sitzung - die Architekten der herrschenden Weltordnung selbst. Es passiert nicht alle Tage, daß eine so hochkarätige Gruppe zusammenkommt, um vor einem derart verheerenden Panorama eigener Fehlleistungen zu debattieren. Um so erstaunlicher, daß so zentrale Fragen der Wirtschaftspolitik wie Inflation und Arbeitslosigkeit, Wachstum und Stabilität, Staatshaushalt sowie die (Ungleich-)Verteilung von Einkommen und Vermögen auf der Agenda fehlten. Womit also beschäftigt sich die moderne Ökonomie? Wie es scheint, vor allem mit sich selbst.

Die AEA bietet ihren Mitgliedern eine willkommene Plattform zur Selbstdarstellung.

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In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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