Ausgabe August 2001

Von Nürnberg nach Den Haag

Das Thema "Internationale Strafjustiz" hält augenblicklich den modernen Medienkonsumenten in Atem. Erfährt er heute, daß "Milosevic vor die Schranken der internationalen Gerechtigkeit" geführt wurde, so morgen, daß Pinochet zwar nicht wegen "Verrücktheit", so doch wegen "leichter Demenz" verhandlungsunfähig sei. Im Wechselbad der Gefühle soll ihn dann die fernöstliche Nachricht trösten, das Rote-Khmer-Tribunal in Kambodscha rücke näher. Der Bürger des deutschen Rechtsstaats allerdings wähnt sich angesichts der "Mauerschützenurteile" gegen Krenz und andere - sogar international abgesegnet durch den Straßburger Gerichtshof - auf soliderem Boden. So unterschiedlich die erwähnten Fallkonstellationen auf den ersten Blick sein mögen, sie haben eines gemeinsam. Individuen handelten hier in amtlicher Eigenschaft, nämlich als Staatsorgane mit politischer Zielsetzung, und sollen hierfür individuell zur Verantwortung gezogen werden.

Das politische Element kennzeichnet ihre Handlungen: Erhaltung Serbiens (Milosevic), Abwehr kommunistischer Subversion (Pinochet), der neue sozialistische Mensch (Pol Pot), ökonomisches Überleben der DDR (Mauerschützen) und so weiter.

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Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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