Ausgabe August 2001

Von Nürnberg nach Den Haag

Das Thema "Internationale Strafjustiz" hält augenblicklich den modernen Medienkonsumenten in Atem. Erfährt er heute, daß "Milosevic vor die Schranken der internationalen Gerechtigkeit" geführt wurde, so morgen, daß Pinochet zwar nicht wegen "Verrücktheit", so doch wegen "leichter Demenz" verhandlungsunfähig sei. Im Wechselbad der Gefühle soll ihn dann die fernöstliche Nachricht trösten, das Rote-Khmer-Tribunal in Kambodscha rücke näher. Der Bürger des deutschen Rechtsstaats allerdings wähnt sich angesichts der "Mauerschützenurteile" gegen Krenz und andere - sogar international abgesegnet durch den Straßburger Gerichtshof - auf soliderem Boden. So unterschiedlich die erwähnten Fallkonstellationen auf den ersten Blick sein mögen, sie haben eines gemeinsam. Individuen handelten hier in amtlicher Eigenschaft, nämlich als Staatsorgane mit politischer Zielsetzung, und sollen hierfür individuell zur Verantwortung gezogen werden.

Das politische Element kennzeichnet ihre Handlungen: Erhaltung Serbiens (Milosevic), Abwehr kommunistischer Subversion (Pinochet), der neue sozialistische Mensch (Pol Pot), ökonomisches Überleben der DDR (Mauerschützen) und so weiter.

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Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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