Ausgabe Juni 2001

Neues vom Moralmarkt

Alle tun es: Der Papst für die Inquisition und für die Kreuzzüge, Bill Clinton (im Namen des "Westens"!) für die Sklaverei, der Bundespräsident in Griechenland für die dort von Deutschen begangenen NS-Verbrechen, der Außenminister für die Prügel, die er einem Ordnungshüter verabreicht hat (in seiner, des Außenministers, zurückliegenden Eigenschaft als Straßenkämpfer), die PDS für den "Anschluß", den 40 Jahre vor Anschluß der DDR ihre "Vorgänger" der SPD verordnet hatten. Andere sollen es tun, wollen aber nicht so recht: Die Regierung Australiens bei den Ureinwohnern, Chirac und Jospin beim algerischen Volk für die Verbrechen während des Algerienkrieges, Japan bei den Koreanern für die "Trostfrauen", und auf die Entschuldigung der PDS in Sachen SPD-Anschluß folgt prompt die Forderung, die SPD solle sich gefälligst endlich für die von ihr zu verantwortenden Berufsverbote entschuldigen. Wieder andere hängen sich an den rollenden Wagen und publizieren wöchentlich eine (mehr oder minder ernst gemeinte) Entschuldigung bei einer Person des "öffentliches Lebens", der wirklich oder vermeintlich Unrecht geschehen ist (wie die "Süddeutsche Zeitung").

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Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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